Streit um Sanierung von Marine-Schulschiff Versenkt die Gorch Fock Steuer-Milliarden?

Kiel/Berlin · Nach der Kostenexplosion und einem Korruptionsverdacht scheint das Schicksal des Segelschulschiffs ungewiss. Die Marine hält an der Sanierung fest.

 Die Kosten für die Sanierung des Marine-Schulschiffs „Gorch Fock“ sind explodiert – von zehn Millionen auf mittlerweile 135 Millionen Euro.

Die Kosten für die Sanierung des Marine-Schulschiffs „Gorch Fock“ sind explodiert – von zehn Millionen auf mittlerweile 135 Millionen Euro.

Foto: dpa/Carsten Rehder

Auf See hat er jeden Sturm überstanden. An Land kann Nils Brandt derzeit nur hilflos zusehen, wie sich dunkle Wolken über der „Gorch Fock“ zusammenbrauen. „Ich mache mir große Sorgen“, sagt der Kommandant des Segelschulschiffs der Marine. „Wir haben jetzt drei Jahre für den Erhalt des Schiffes gekämpft und das nicht aus nostalgischen Gründen oder Sentimentalität.“ Nach der Kostenexplosion bei der Sanierung und einem Korruptionsverdacht ist das Schicksal des 1958 gebauten Dreimasters ungewiss.

Heute wollen sich die Spitzen von Marine und Verteidigungsministerium einen Überblick verschaffen. Nach Angaben eines Sprechers soll dabei nicht über die Zukunft der „Gorch Fock“ entschieden werden. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) betonte im Vorfeld: „Die Gorch Fock steht für eine große Tradition in der Marine.“ In Medien und in der Marine wird dennoch über ein Aus spekuliert.

Das Schiff wird bereits seit 2016 saniert. Ursprünglich mit zehn Millionen Euro veranschlagt, sind die Kosten aus dem Ruder gelaufen und werden mittlerweile auf 135 Millionen Euro beziffert. Erst vor wenigen Tagen wurden zudem gegen einen Mitarbeiter des Marinearsenals Wilhelmshaven Ermittlungen wegen Korruptionsverdachts eingeleitet. Laut NDR soll der Mann, der Selbstanzeige erstattet haben soll, mitverantwortlich für die Preisprüfung der „Gorch Fock“-Reparatur gewesen sein. Die Werft betonte jedoch, eine erste Bestandsaufnahme habe ergeben, dass der Verdacht der Vorteilsnahme eines Mitarbeiters des Marinearsenals nicht mit den Kostensteigerungen im Zusammenhang stehe. Dafür spreche schon die begrenzte Zuständigkeit des Mitarbeiters.

Wegen des Korruptionsverdachts sagte die Marine einen für den 17. Dezember geplanten Festakt an der Marineschule Mürwik in Schleswig-Holstein zum 60. Jahrestag der Indienststellung des Schiffs ab. „Die Besatzung war teilweise den Tränen nahe, weil wir alles vorbereitet hatten“, sagt Kommandant Brandt. „Wir hatten Kekse gebacken und eine große Geburtstagstorte in Vorbereitung.“ Der Marineoffizier ist von dem Sinn der seemännischen Grundausbildung an Bord weiter überzeugt. „Dort erfahren junge Offizier-Anwärter, was es bedeutet, bei Wind und Wetter seinen Dienst verrichten zu müssen.“ Zudem beförderten Extremsituationen an Bord das Teambuilding. Ein altes Schiff wie die „Gorch Fock“ biete zudem einen weiteren Vorteil: „Durch die Losgelöstheit vom Mobilfunksystem GSM merken die Kameraden, dass nicht die sozialen Medien ihre Freunde sind, sondern die Kameraden, die links und rechts neben ihnen sitzen.“

Für Krisenforscher Frank Roselieb sind mehrere Themen rund um das Schiff – wie der mittlerweile verfilmte Tod der Kadettin Jenny Böken bei einem Ausbildungstörn 2008 – nicht komplett bewältigt. „Die Gorch Fock hält momentan ein bisschen als Sündenbock her für alle möglichen Probleme von Marine und Bundeswehr“, sagt der geschäftsführende Direktor des Instituts für Krisenforschung. Er verweist auf die Schwierigkeiten der Truppe, nach dem Wegfall der Wehrpflicht genügend Nachwuchs zu finden und den umstrittenen Einsatz externer Berater durch das Verteidigungsministerium.

„Da ist solch ein Schiff wie die ‚Gorch Fock’ natürlich greifbar“, sagt Roselieb. Entscheidend sei, wie viel die Politik bereit ist, in dieses Schiff zu investieren. „Die Elbphilharmonie war auch zehnmal so teuer wie geplant und trotzdem finden sie mittlerweile alle total toll.“ Wenn die Bundeswehr es schafft, die „Gorch Fock“ mit Hilfe von Emotionen wieder als Verbindung von Tradition und Moderne darzustellen, habe das Schiff eine Zukunft. 

Für den Bund der Steuerzahler ist klar: „Die laufenden Sanierungsarbeiten müssen sofort abgebrochen und die Reste des Schiffes verwertet werden“, sagt dessen Landesgeschäftsführer in Schleswig-Holstein, Rainer Kersten. „Diese Entscheidung hätte schon vor mindestens einem Jahr fallen müssen, dann wären dem Steuerzahler sinnlose Ausgaben in zweistelliger Millionenhöhe erspart geblieben.“

Die Kostenexplosion bei der Sanierung beschäftigt auch den Bundesrechnungshof. In Bälde gehe ein Entwurf der Prüfungsmitteilung an das Verteidigungsministerium.

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