Konservative boykottieren Schulen in Paris

Paris · Die Ultrakonservativen in Frankreich gehen erneut auf die Barrikaden. Nach der Homo-Ehe haben sie sich nun die Sexualaufklärung für Kinder als Ziel ihrer Proteste ausgesucht. Teil des Widerstandes ist ein Schulboykott.

Ein Gerücht hat in Frankreich die Klassenzimmer geleert und die politische Debatte angeheizt: Hunderte Kinder blieben in den vergangenen Tagen zu Hause, statt in die Schule zu gehen. In manchen Einrichtungen im Pariser Großraum machten gar bis zu 60 Prozent der Schüler und Vorschüler blau. Hintergrund: ein Boykott-Aufruf, der sich gegen die an den staatlichen Schulen angeblich gelehrte "Gender-Theorie" richtet und sich in Windeseile über SMS, Twitter und Facebook verbreitet hatte.

"Achtung, mein Sohn, morgen wirst Du eine Frau sein!" und: "Das staatliche Bildungssystem lehrt die Kinder, dass sie nicht als Mädchen oder Junge geboren wurden, wie Gott es wollte, sondern ihr Geschlecht wählen können!" Mit diesen und ähnlich lautenden Botschaften wurden Frankreichs Eltern dazu animiert, ihre Kinder bis zum Sommer mindestens ein Mal im Monat zu Hause zu lassen. Es gelte, gegen den Bildungsplan zu protestieren und die "Zukunft" der Kinder zu verteidigen, hieß es.

Hinter dem Boykott-Aufruf steht die Bewegung "Schulstreiktag", eine Vereinigung mit Verbindungen zu rechtsextremen und katholisch-fundamentalistischen Kreisen. Sie wendet sich gegen ein Bildungsexperiment, das seit September in 600 Grundschulklassen durchgeführt wird: das "ABCD der Gleichheit" - ein Programm, das sich gegen bestimmte "Frau-Mann"-Stereotypen wendet, um vom Kleinkindalter an gezielt gegen geschlechtsspezifische Diskriminierung vorzugehen. Dabei wird beispielsweise den Mädchen erklärt, dass sie eines Tages ebenso gut den Beruf des "Feuerwehrmanns" annehmen können, wie die Jungen "Krankenschwester" werden können. Die Organisatoren werfen dem Bildungsministerium allerdings vor, unter dem Deckmantel des Programms heimlich die "natürlichen Geschlechterrollen" unterdrücken zu lassen und die aus den USA kommende "Gender-Theorie" zu verbreiten. Demnach wird das Geschlecht von Jungen und Mädchen vor allem kulturell und nicht biologisch festgelegt.

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