Konsens-Präsident gesucht

Berlin · Bei der Wahl eines neuen Bundespräsidenten könnten die Grünen das Zünglein an der Waage sein. Unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter sprach über die Kandidatenfrage mit dem Fraktionschef der Partei, Anton Hofreiter.

 2012 wurde Joachim Gauck (m.) als Bundespräsident vereidigt. 2017 endet seine Amtszeit. Foto: dpa

2012 wurde Joachim Gauck (m.) als Bundespräsident vereidigt. 2017 endet seine Amtszeit. Foto: dpa

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Wer wird der nächste Bundespräsident? Alles läuft auf einen Konsenskandidaten hinaus. Wahlkampf jedenfalls wollen Union und SPD in diesem Feld nicht machen. Laut einem Bericht des "Spiegel" haben sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU ), der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer darauf verständigt, gemeinsam nach einem Kandidaten für die Nachfolge von Joachim Gauck zu suchen. Und der soll dann ein möglichst breites politisches Spektrum repräsentieren.

Die Suche mag dadurch etwas leichter werden, konkreter wird sie allerdings noch nicht: Union und SPD hätten sich bei einem ersten möglichen Kandidaten bereits eine Abfuhr geholt, berichtet der "Spiegel" weiter. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle , habe es abgelehnt, als Bundespräsident zu kandidieren. Voßkuhle war bereits 2012 für das höchste Staatsamt im Gespräch gewesen. Als mögliche Kandidaten nennt der Bericht jetzt den früheren EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber und die ehemalige Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt .

Das neue Staatsoberhaupt wird von der Bundesversammlung gewählt. Unter den 1260 Mitgliedern - je die Hälfte aus Bund und Ländern - haben CDU und CSU 542 bis 543 Stimmen. SPD , Grüne und Linke kommen zusammen auf 625 bis 628 Stimmen, knapp unter der absoluten Mehrheit. Im dritten Wahlgang genügt die einfache Mehrheit.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber sprach sich am Wochenende klar für einen parteiübergreifenden Konsens bei der Nominierung eines Kandidaten aus. Die Parteien täten gut daran zu zeigen, dass dieses Amt nicht im Parteienstreit vergeben werde, sagte Tauber im Deutschlandfunk . SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, die Persönlichkeit des künftigen Präsidenten sei wichtiger als das Parteibuch. "Es wäre allerdings schon gut, wenn es sich um eine politisch erfahrene Persönlichkeit handelt."

Ebenso wie Union und SPD setzen auch die Grünen offensichtlich auf eine parteiübergreifende Lösung. Die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt sagte: "Wir wollen keinen Lager-Kandidaten weder in die eine noch in die andere Richtung." Es gehe nicht um Parteipolitik, sondern um den Zusammenhalt im Land. Das neue Staatsoberhaupt müsse in erster Linie Brücken bauen können.

Auch der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) warnte davor, einen rot-rot-grünen Kandidaten zu nominieren. "Wir brauchen in Zeiten, in denen die AfD von Sieg zu Sieg eilt, einen Kandidaten, der weit über jedes Spektrum hinaus Akzeptanz findet, sagte Ramelow dem "Spiegel". Gesucht werde eine "kluge, weltoffene, moderne und konservative Persönlichkeit".

Dagegen hält der Linken-Vorsitzende Bernd Riexinger einen rot-rot-grünen Kandidaten weiterhin für möglich. Dem "Handelsblatt" sagte er, der Nachfolger oder die Nachfolgerin Gaucks müsse für soziale Gerechtigkeit, Demokratie und Frieden stehen. Ein Parteibuch sei dabei zweitrangig. Herr Hofreiter, wäre der deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani ein geeigneter Gauck-Nachfolger?

Hofreiter: Navid Kermani ist ein hervorragender Schriftsteller, und er kann sehr beeindruckende Reden halten. Das hat er auch schon im Bundestag gezeigt. Aber ich warne davor, jetzt einzelne Namen in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Denn aus Erfahrung kann ich sagen, dass diese Personen dann keinerlei Chancen mehr haben.

Offenbar mögen sich die Grünen weder auf einen rot-rot-grünen noch auf einen schwarz-grünen Kandidaten festlegen. Warum diese Unentschiedenheit?

Hofreiter: Wir wollen keinen Lager-Kandidaten. Uns kommt es auf die Person als solche an. Der Bundespräsident oder die Bundespräsidentin wirkt durch das Wort. Er oder sie muss die Gesellschaft zusammenhalten.

Werden die Grünen einen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken?

Hofreiter: Wir sprechen jetzt erst einmal mit den anderen Parteien. Wenn klar geworden ist, welche Kandidaten vorgeschlagen werden, entscheiden wir uns, ob wir jemanden davon mittragen können, oder ob wir einen eigenen Kandidaten präsentieren.

Das komplette Interview lesen Sie unter www.saarbruecker-zeitung.de/berlinerbuero

Meinung:

Keine Experimente

Von SZ-Korrespondent Stefan Vetter

Beim Ringen um die Nachfolge von Bundespräsident Joachim Gauck drängt die Zeit. Viel wird bereits darüber spekuliert, dass sich ein politisches Lager auf einen Favoriten verständigt, dessen erfolgreiche Wahl dann ein Fingerzeig für die Zusammensetzung der nächsten Bundesregierung wäre. Doch zwingend ist das nicht. Man denke nur an die Zeit zwischen 1979 und 1999, in der sich drei Bundespräsidenten mit CDU-Parteibuch die Klinke in die Hand gaben und 1998 trotzdem eine rot-grüne Bundesregierung gebildet wurde. Aktuell kommt hinzu, dass Teile der Grünen, aber auch der SPD ein rot-rot-grünes Signal scheuen und die Grünen beim Gedanken an einen möglichen schwarz-grünen Kandidaten ebenfalls innerlich zerrissen sind. Deshalb bleibt nur ein gemeinsamer Kandidat von Union und SPD nach dem Motto "Keine Experimente". Als Signal für eine weitere Zusammenarbeit wäre das jedenfalls nicht zu werten.

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