Pressestimmen Kommentatoren sehen Schulz unter Zugzwang

Das „Badische Tagblatt“ (Baden-Baden) begrüßt das Aufweichen das kategorischen Neins der SPD zu Gesprächen über eine neue Regierung:

Zumindest Gespräche mit der Union sollten die Sozialdemokraten führen, auch wenn es ihnen aus guten Gründen schwerfällt. Eine unionsgeführte Minderheitsregierung zu tolerieren (...)  ist aber womöglich nicht mit dem bisherigen Parteivorsitzenden möglich. So trifft das Jamaika-Aus die SPD zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Es überfordert die Partei, deren Erneuerung noch nicht mal richtig begonnen hat. Aber es hilft nichts: Verantwortung fürs Land haben die Sozialdemokraten immer wieder übernommen. In welcher Form sie ihr dieses Mal gerecht werden, darüber beginnt nun das Nachdenken.

„Die Zeit“ (Hamburg) empfielt der SPD, nicht in die Opposition zu gehe – im eigenen Interessse:

Die SPD hat nun lange genug Trauer getragen. Es ist an der Zeit, Gespräche mit der Union aufzunehmen. Übrigens auch aus eigenem Interesse. In der Opposition wäre sie zwar die stärkste Partei. Aber die Versuchung wäre groß, im Wettstreit mit Sahra Wagenknecht, Alexander Gauland und Christian Lindner auch die lauteste zu sein. Schritt für Schritt konnte sie sich so von der politischen Mitte und damit von der Mehrheitsfähigkeit entfernen.

Der „Münchner Merkur“ glaubt eher an eine neue große Koalition als an eine Minderheitsregierung:

Eine oppositionelle SPD müsste sich im Falle einer Minderheitsregierung mit der Union schon auf ein detailliertes Programm zur Duldung der Regierungslinie verständigen. Ein solches Tolerierungsmodell käme im Ergebnis aber einer informellen GroKo recht nahe – nur ohne Ministerämter für die SPD. Ob es das ist, wovon Genosse Gabriel & Co. in schlaflosen Nächten träumen? Kein Wunder, dass die vom Jamaika-Aus überrollte SPD nun ihre voreilige Neuwahl-Forderung einkassiert und bei ihrem verzweifelten Rückzugsgefecht auch von Stunde zu Stunde mehr von der Idee mit der Minderheitsregierung abrückt. Die nächste GroKo steht schon vor der Tür.

„Die Welt“ (Berlin) sieht Martin Schulz als Problem der  SPD:

Führte der Überdruss an der großen Koalition und Merkels Art, vor jeder Debatte auszubüchsen, zur Niederlage der SPD? Oder war es das Gefühl der Wähler, dass die Sozialdemokraten mit Martin Schulz einen Kandidaten ins Feld schickten, der in allem, was er tat, das Gefühl vermittelte, zwar guten Willens, aber überfordert zu sein? Es sind Persönlichkeiten, die Wahlen gewinnen. Sie siegen selbst aus großen Koalitionen heraus. Sebastian Kurz in Österreich hat es gezeigt.

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