Köln geht auf Nummer sicher

Köln · Mit den Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht 2015 wurde das Wort „Köln“ zum Synonym für das Versagen des Staats und die Probleme in der Flüchtlingspolitik. Nun will die Stadt die Wunden heilen und rüstet auf.

"Kommt gut ins neue Jahr! Fröhlich und sicher Silvester feiern in Köln " steht auf einem neuen Plakat, auch ein Herz mit den Umrissen des Doms ist zu sehen. Gäbe es nicht die Vorgeschichte, könnte man es für die Einladung zu einer x-beliebigen Party halten. Doch die Worte "Köln " und "Silvester " bereiten seit fast einem Jahr vielen Bürgern Unbehagen. Zusammen stehen sie für Deutschlands Probleme in der Flüchtlingspolitik , für Versagen des Staats und für traumatische Erinnerungen hunderter Frauen, Opfer von Sexattacken.

Der Stadt - und nicht nur ihr - hängen die furchtbaren Ereignisse nach, die es im vergangenen Jahr am Hauptbahnhof und im Schatten des Doms gegeben hat. Entfesselte Männergruppen schossen wie wild Feuerwerk umher und begrapschten massenhaft Frauen. Weil viele Flüchtlinge unter den Tätern waren, geriet das gesellschaftliche Klima ins Rutschen. Köln galt als das Ende der "Willkommenskultur". Eine Wiederholung will die Metropole um jeden Preis verhindern. Der Preis dafür ist eine Silvesterfeier als Hochsicherheitsereignis.

"Silvester 2016 wird gekennzeichnet sein durch eine sehr große Polizeipräsenz", stellt Polizeipräsident Jürgen Mathies am Montag klar. 1500 Beamte der Landespolizei, dazu rund 600 Ordnungskräfte im Auftrag der Stadt. Hinzu kommen etwa 800 Beamte der Bundespolizei unter anderem in Bahnhöfen und Zügen von Nordrhein-Westfalen. Sie sollen schauen, welche Klientel sich auf den Weg nach Köln macht.

Ein Blick in den Maßnahmenkatalog verrät, dass es eine sehr spezielle Silvesterparty wird. Es wird mehr Videoüberwachung geben, unter anderem von Beleuchtungsmasten am Bahnhofsvorplatz. Die Hohenzollernbrücke, die zum bekannten Panorama der Domstadt gehört, wird für Fußgänger gesperrt, auch Verkehrssperren wird es geben. Zentrale Orte sollen mit Zusatzbeleuchtung aus der Dunkelheit geholt werden. Auf den Straßen werden etwa 20 Streetworker unterwegs sein. Selbst das Aufstellen von Toiletten an Orten, an denen "Wildurinieren" erwartet wird, findet in dem Konzept Erwähnung.

Köln weiß, was auf dem Spiel steht. Immer wieder spricht die parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Reker von "den Bildern", die aus Köln um die Welt gehen werden. Eigens wurde der Berliner Lichtkünstler Philipp Geist engagiert, der die Domplatte mit einer futuristischen Videoshow in Szene setzen wird. "Die beste Antwort auf Schrecken wie im letzten Jahr ist, mit einem positiven Kunstereignis andere Bilder zu entwickeln", sagte Geist unlängst in einem Gespräch. Um den Dom wird es eine Schutzzone geben, in denen Böller verboten sind.

Auch die Kölner Polizei - nach der Silvesternacht wegen ihrer Kommunikation noch angezählt - betreibt mittlerweile eine forsche Pressearbeit. Journalisten können in diesen Tagen quasi täglich die letzten Handgriffe vor Silvester begleiten.

Und nicht nur für Köln steht viel auf dem Spiel. Ein wenig ist es so, als wolle die Stadt stellvertretend für viele andere die Wunden heilen, die der zurückliegende Jahreswechsel und die folgende Debatte aufgerissen haben.

"Das große Risiko ist natürlich, wenn doch etwas passiert", sagt der Kommunikationswissenschaftler Ansgar Zerfaß von der Uni Leipzig. "In Köln ist die Wahrscheinlichkeit vielleicht nicht so hoch angesichts der vielen Polizisten. Aber was ist, wenn es Vorfälle in Düsseldorf, Dortmund oder Essen gibt?", fragt Zerfaß. "Dann würde sich der NRW-Innenminister wohl anhören müssen, dass er Köln sicher, andere Städte aber unsicherer gemacht hat."

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Hintergrund Eine Wiederholung der Silvesterübergriffe von Köln ist nach Einschätzung des Kriminologen Nils Zurawski äußerst unwahrscheinlich. "Es spricht alles dagegen", sagte der Wissenschaftler am Institut für Kriminologische Sozialforschung der Universität Hamburg dem WDR: "der Jahrestag, die Aufmerksamkeit, das Bewusstsein bei der Polizei und bei den Feiernden". Zudem seien alle gewarnt und wollten, "dass sich das nie wieder so ereignet", betonte der Soziologe. "Selbst die Täter können nicht so doof oder so uninformiert sein, dass sie das wie im letzten Jahr nochmal machen." epd

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