Klimaschutzplan erhitzt die grünen Gemüter

Berlin · Bis 2050 soll Deutschland seine Kohlendioxid-Ausstoß verringern. Und zwar deutlich. Das geht nicht, ohne die Industrie. Doch statt sie zum Einsparen schädlicher Treibhausgase zu zwingen, setzt die Koalition auf den guten Willen.

 Ministerin Hendricks ist wegen des Klimaschutzplans im Fokus der Kritiker. Foto: Schmidt/dpa

Ministerin Hendricks ist wegen des Klimaschutzplans im Fokus der Kritiker. Foto: Schmidt/dpa

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Politik ist ganz einfach, es sei denn, es wird konkret. Bei der UN-Klimakonferenz in Paris vereinbarten alle Nationen, die Erd-erwärmung bei zwei Grad zu stoppen, was ab 2050 für Europa bedeutet, dann 80 Prozent weniger CO{-2} als 1990 auszustoßen. Jetzt liegt ein Entwurf für einen deutschen Klimaschutzplan zum Erreichen dieses Ziels vor, und die Wellen schlagen hoch.

Genau genommen ist es der zweite Entwurf; den ersten hatte Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD ) weitgehend allein verfasst. Die Proteste dagegen, vor allem seitens der Wirtschaft, waren massiv, so dass Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD ) Anfang Juni eingriff und für Entschärfungen sorgte. Dafür sind nun Umweltverbände und Grüne auf der Palme. Das Projekt sei nur noch "heiße Luft", sagte Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn . Sie hatte intern einen Vergleich zwischen alter und neuer Fassung erarbeiten lassen und war auf viele Streichungen gestoßen. Der Industrieverband BDI fand, dass in der neuen Vorlage zwar die problematischsten Passagen entschärft seien, es sich aber weiter nicht um den großen Wurf handele. Hier die größten Streitpunkte:

Zwischenziele. Zwar soll der CO{-2}-Ausstoß bis 2030 um 55 Prozent sinken, doch wird im Unterschied zum ersten Entwurf auf die Formulierung verbindlicher Reduktionsziele für alle Bereiche verzichtet. So heißt es in dem Papier in Bezug auf die Energiewirtschaft (derzeit 358 Millionen Tonnen CO{-2} oder 40 Prozent aller Emissionen) nur noch, sie müsse einen "angemessenen Beitrag" leisten - die ursprüngliche Vorgabe einer Halbierung der Emissionen fehlt. "Damit verpasst die Bundesregierung die Chance, einen klaren Orientierungsrahmen für Investoren und Politik zu geben", erklärte Christoph Bals von "Germanwatch". "Die Überarbeitung durch das Wirtschaftsministerium fand offenbar überwiegend über die Löschtaste statt."

Verkehr. Ab 2030 soll es bei Neuzulassungen so gut wie keine Verbrennungsmotoren mehr geben, sondern nur noch E-Autos oder Brennstoffzellen-Antriebe, verlangen Hendricks und Gabriel. Für Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU ) ist das "Wunschdenken". Zwar müsse man alternative Antriebe weiterentwickeln, doch dürfe man nicht "Utopien nachlaufen". Der Verkehr ist die einzige Branche, die seit 1990 praktisch keinerlei Verringerung aufzuweisen hat; der CO{-2}-Ausstoß stagniert hier bei 160 Millionen Tonnen pro Jahr. Die konkrete Vorgabe, einer Absenkung auf 119 Millionen Tonnen bis 2030 ist im neuen Entwurf aber ebenso gestrichen wie eine zunächst erwogene zusätzliche Abgabe auf fossile Kraftstoffe. Auch der zunächst geplante Abbau von Steuerprivilegien für Diesel-Pkw fehlt.

Kohle. Die ursprüngliche Festlegung, die Kohleverstromung in Deutschland "deutlich vor 2050 zu beenden", wurde abgemildert. Jetzt heißt es lediglich, die Stromerzeugung aus Kohle werde "an Bedeutung abnehmen". Für die betroffenen Regionen, die Lausitz und das rheinische Braunkohlerevier, sollten Regionalfonds eingerichtet werden, um ihnen Zukunftsperspektiven zu eröffnen. Besonders die Kohlepassagen empören die Grünen. "Ohne einen Kohleausstiegsplan und ohne echte CO{-2} Minderungsziele auch in den Sektoren Verkehr und Landwirtschaft bleibt Klimaschutz ein Lippenbekenntnis", so Höhn.

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