Kleines Land mit großen Problemen

Brüssel. Der Markt scheint grausam und gemein. Keine 48 Stunden nach dem bitteren Gang Irlands zum europäischen Krisenfonds nahmen die Spekulanten gestern bereits das nächste Opfer ins Visier: Portugal

Brüssel. Der Markt scheint grausam und gemein. Keine 48 Stunden nach dem bitteren Gang Irlands zum europäischen Krisenfonds nahmen die Spekulanten gestern bereits das nächste Opfer ins Visier: Portugal. Offiziell gibt sich die EU-Kommission zwar weitgehend optimistisch und lässt Währungshüter Olli Rehn nahezu täglich wiederholen, dass im Gegensatz zu Irland "der portugiesische Bankensektor gesund" ist. Tatsächlich aber verschweigt der finnische Kommissar andere gravierende Probleme im Heimatland seines Chefs, Kommissionspräsident José Manuel Barroso.Kaum eine Wirtschaft hat in den vergangenen Jahren so sehr den Anschluss an die europäischen Wachstumsraten verloren wie das Zehn-Millionen-Land auf der iberischen Halbinsel. Seit der Jahrtausendwende wuchs die dortige Ökonomie um im Schnitt lediglich 1,1 Prozent, in diesem Jahr wird das Leistungsbilanz-Defizit sinken und bei minus 0,3 Prozent liegen. Portugal wächst nicht, Portugal schrumpft.

Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos betonte zwar auch am Montag wieder, man sei mit dem gewaltigen Sparprogramm auf einem guten Weg zur Bekämpfung des Etatdefizits von knapp zehn Prozent. Aber er konnte damit nur mühsam verdecken, dass das Land nicht nur über seine Verhältnisse lebt, sondern auch in punkto Wettbewerbsfähigkeit zu den Schlusslichtern in Europa gehört. Die portugiesischen Unternehmen stellen nur wenige hochwertige Elektronik oder Maschinen her. Man stützt sich stärker als anderswo auf Produkte wie Textilien und Nahrungsmittel, bei denen man nahezu wehrlos der asiatischen Billigkonkurrenz ausgeliefert ist.

Und ohne Wachstum fehlen Lissabon die Einnahmen, die zur Sanierung der öffentlichen Finanzen ebenso notwendig sind wie Einsparungen. Die Folgen sind fatal: Anleger befürchten, dass die Schuldenfalle umso heftiger zuschnappt, weil fehlendes Wachstum plus sinkende Steuereinnahmen ein tödliches Gemisch sind. "Am Markt besteht Konsens, dass Portugal der nächste Staat ist, der unter den Rettungsschirm schlüpfen muss", sagt Michael Leister, Analyst für europäische Staatsanleihen bei der WestLB.

In Brüssel heißt es dennoch beruhigend, dass Griechenland und Irland plus eventuell Portugal keine "wirkliche Gefahr für den Euro oder die Euro-Zone" bedeuten würden. Alle drei Länder tragen zum Bruttoinlandsprodukt des 16 Staaten umfassenden Raumes mit Gemeinschaftswährung nur verhältnismäßig kleine Anteile bei. Deshalb könne man sogar "verschmerzen, wenn auch Spanien noch Probleme" bekäme. Sollte dieses Szenario eintreten, stünde die Union allerdings vor ganz anderen Schwierigkeiten: Dann nämlich gingen dem mit 750 Milliarden Euro derzeit noch gut bestückten Rettungsfonds in Luxemburg wohl langsam, aber sicher die Mittel aus.

Und falls darüber hinaus die erhofften Verbesserungen nicht einträten und die Schuldner-Staaten ihre Rückzahlungsverpflichtungen nicht einhalten könnten, wäre Europa zwar nicht am Ende. Aber dann müssten die bisherigen Bürgen wie Deutschland erstmals selbst in die Tasche greifen. Und das in einem Jahr 2011, in dem alle ohnehin eisern sparen müssen.

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