Kleines Duell der Außenminister

Berlin. Als der neue Außenminister nach seinem blauen Hefter mit dem Bundesadler greift und zum Rednerpult im Parlament geht, schaut der alte genau zu. Vor wenigen Monaten noch hat Frank-Walter Steinmeier (SPD) als Außenminister der großen Koalition Wegweisendes zu Afghanistan gesagt. Heute ist es Guido Westerwelle von der FDP, der für die schwarz-gelbe Regierung spricht

Berlin. Als der neue Außenminister nach seinem blauen Hefter mit dem Bundesadler greift und zum Rednerpult im Parlament geht, schaut der alte genau zu. Vor wenigen Monaten noch hat Frank-Walter Steinmeier (SPD) als Außenminister der großen Koalition Wegweisendes zu Afghanistan gesagt. Heute ist es Guido Westerwelle von der FDP, der für die schwarz-gelbe Regierung spricht. Steinmeier grinst leicht, als ob ihm der Rollenwechsel jetzt noch einmal so richtig bewusst wird. Und Westerwelle klappt sein Mäppchen auf, drückt den Rücken durch und überrascht mit einer neuen, weitreichenden Erkenntnis.Es ist seine erste Regierungserklärung im Amt, und das gleich zum heiklen Thema Afghanistan. Klare Worte hat sich Westerwelle vorgenommen. Die Bundestagsdebatte ist aber auch der erste direkte Schlagabtausch zwischen dem Minister und seinem Amtsvorgänger, der jetzt SPD-Fraktionschef ist. Schnell wird klar: Die Regierung kann wohl auf Unterstützung der SPD hoffen, wenn das neue Afghanistan-Mandat Ende Februar im Bundestag beschlossen werden soll. Dass Westerwelle die Gelegenheit nutzt, nicht nur für den großen Schulterschluss im Parlament zu werben, sondern auch eine Neubewertung des Einsatzes der Bundeswehr vorzunehmen, merken nicht alle im Bundestag. Steinmeier schon. "Die Intensität der mit Waffengewalt ausgetragenen Auseinandersetzung" habe die Regierung zu der Bewertung veranlasst, die "Einsatzsituation" auch im Norden Afghanistans "als bewaffneten Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts zu qualifizieren", sagt Westerwelle. "Ob uns das politisch gefällt oder nicht, das ist die Lage." Bisher war seitens der Regierung immer von einem Stabilisierungseinsatz der Bundeswehr die Rede gewesen. In einem "bewaffneten Konflikt" ist laut internationalem Recht Gewaltanwendung eher gerechtfertigt, wenn dies militärisch notwendig erscheint. Soll heißen, es dürfen auch Militärziele angegriffen und Kämpfer getötet werden. Zugleich haben Bundeswehr-Soldaten nicht so schnell strafrechtliche Konsequenzen zu erwarten. Steinmeier reagiert darauf, und zwar skeptisch: Ob es sich in Afghanistan um einen "nicht-internationalen bewaffneten Konflikt" handele, sei nicht von der Bundesregierung zu entscheiden. Man müsse sich auch nicht gegenseitig belehren, "wie die Lage in Afghanistan ist. Die unterschätzt hier niemand." Hintergrund ist die Auffassung der Bundesanwaltschaft, dass die rechtliche Einstufung des Bundeswehr-Einsatzes nicht Sache der Regierung, sondern ausschließlich eine Angelegenheit der Justiz sei. Bislang hatte die Regierung auch stets eine juristische Qualifizierung vermieden. Als Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) vor wenigen Wochen trotzdem von einer kriegsähnlichen Situation sprach, war das nicht abgesprochen gewesen. Für die neue Einschätzung gilt das nun nicht, auch wenn die Verständigung darauf innerhalb der Regierung mühsam gewesen sein soll. Westerwelle wirbt in seiner Rede jedoch vor allem für Zustimmung zur neuen deutschen Afghanistan-Strategie. Neben einer deutlichen Aufstockung der Mittel für den Wiederaufbau des Landes sollen künftig 1400 statt 280 Soldaten afghanische Soldaten und Polizisten ausbilden. Die Obergrenze für das Gesamtkontingent wird von 4500 Soldaten auf 5350 erhöht werden. Besonders skeptisch sieht die Opposition die darin enthaltene Reserve von 350 Mann, die nur in enger Abstimmung mit dem Bundestag zum Einsatz kommen soll. "Die enge Einbindung des Parlaments ist mir sehr wichtig", verspricht Westerwelle. "Ich warne vor Tricks", erwidert Steinmeier. Meinung

Kein Freibrief

Von SZ-KorrespondentHagen Strauß Nun ist also von Stabilisierungseinsatz, von Wiederaufbau mit Hilfe der Bundeswehr keine Rede mehr. Stattdessen handelt es sich um einen "bewaffneten Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts", wie Außenminister Westerwelle betont. Man könnte fragen, warum sich Westerwelle wiederum davor drückt, von Krieg zu sprechen. Jeder Soldat, der dort gewesen ist, nennt die Lage bei diesem Namen. Das wiederum hätte aber deutlich weitergehende völkerrechtliche und auch verfassungsrechtliche Folgen. Also ist der bewaffnete Konflikt so etwas wie ein gemeinsamer Nenner zwischen Politik und Militär. Die Soldaten erhalten nun mehr Möglichkeiten, militärisch zu agieren und mehr rechtliche Sicherheit mit Blick auf ihr Handeln. Aber keinen Freibrief. Das sollte nicht vergessen werden.

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