Kinder als emotionale Blitzableiter

Gewalt gegen Kinder ist in Deutschland Alltag. Über die Gründe unterhielt sich SZ-Redakteur Thorsten Grim mit Günther Deegener, Vorsitzender des Kinderschutzbundes an der Saar.

Was sind die Ursachen für Gewalt gegen Kinder?

Deegener: Gewalt gegen Kinder findet meist in der Familie statt, und zwar oft dort, wo Eltern vielfältig belastet sind. Etwa durch Armut, Arbeitslosigkeit, beengte Wohnverhältnisse oder Eheprobleme. Jeder weiß ja selbst: Wenn Belastungen zunehmen, werden wir gereizter, aggressiver. Irgendwann kann dann der berühmte Tropfen das Fass zum Überlaufen bringen, und dann kommt es zu Gewalt. Dennoch: In Deutschland hat sich in den vergangenen 20 Jahren viel in Sachen Gewalt-Prävention getan. Insbesondere was die sexuelle Gewalt angeht: Vereine, Behinderteneinrichtungen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe oder auch die Schulen klären auf und tun sehr viel im vorbeugenden Bereich.

Gewalt und körperliche Züchtigung sind aber nach wie vor Bestandteil der Erziehung, oder?

Deegener: Klapse oder Schläge auf den Po als erzieherische Maßnahme - das hat abgenommen. Der Anteil schwerer körperlicher Gewalt ist jedoch konstant hoch geblieben: Er liegt bei rund fünf Prozent. Was mich beunruhigt, ist, dass die Vernachlässigung zu wenig gesehen wird. Vernachlässigung ist die häufigste Form der Kindesmisshandlung. Auf sie trifft man vor allem bei den vielfältig belasteten Familien - aber nicht nur dort.

Oft wird kritisiert, dass Kommunen die Kinder- und Jugendhilfe mit ungenügenden finanziellen Mitteln ausstatten. Trifft das zu?

Deegener: Es ist sicherlich notwendig, dass die Kommunen vom Bund finanziell besser gestellt werden. Insgesamt sind wir aber in Deutschland gut aufgestellt. Man hat viel aus dramatischen Fällen und auch Todesfällen gelernt, wo Kinder bereits von Jugendämtern betreut wurden. Da wird heute viel genauer hingeguckt. Aber ich denke schon, dass alle, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, noch mehr auf frühe Hinweise achten sollten, ob Kinder in ihrer Entwicklung gestört oder verstört sind und auffällig werden.

Das vollständige Interview steht im Netz unter: www.saarbruecker-zeitung.de/deegener

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