Keine Chance mehr für Schattenmänner "Niemand soll aus Steuerhinterziehung Vorteile haben"

Genf. Banken und Finanzplätze weltweit erleben nun eine weitere "Wende". So folgt mit dem Schritt der Schweiz, Österreichs und Luxemburgs, nach internationalen Standards die Verfolgung von Steuersündern zu erleichtern, eine Neuregelung des Bankenverständnisses. Und nach dem Absturz der Finanzjongleure kommt nun eine Neuorientierung der internationalen Finanzplätze

Genf. Banken und Finanzplätze weltweit erleben nun eine weitere "Wende". So folgt mit dem Schritt der Schweiz, Österreichs und Luxemburgs, nach internationalen Standards die Verfolgung von Steuersündern zu erleichtern, eine Neuregelung des Bankenverständnisses. Und nach dem Absturz der Finanzjongleure kommt nun eine Neuorientierung der internationalen Finanzplätze. Die Schweiz konnte ihren Schritt zur Aufweichung ihres Bankgeheimnisses für ausländische Bankkunden erst bekannt geben, nachdem andere, wie Singapur oder Hongkong, vorangegangen waren. Zu groß wäre die Gefahr gewesen, dass ein Teil des in der Schweiz angelegten ausländischen Vermögens von etwa vier Billionen Dollar sofort abgezogen worden wäre.Nun, da weitgehend wieder Waffengleichheit unter den Finanzplätzen herrscht, soll es die Solidität und Qualität bringen. Jetzt heißt es, dass der Steuersünder schließlich nicht im Vordergrund der Bankentätigkeit gestanden habe. Das ist eine Rückkehr zur eigentlich selbstverständlichen Normalität - für Bankenkritiker etwa bei Nichtregierungsorganisationen ist dies eine geradezu absurde Wandlung.

Ohne die tiefsinnige Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung - das eine strafbar, das andere nicht - wäre der Finanzplatz Schweiz nicht das geworden, für das er seit Jahrzehnten stand. Die Schweiz, so Kritiker, hätte schon vor Jahren die OECD-Standards zum Informationsaustausch annehmen können und sich viel Ärger, aber dann auch wohl viele Einnahmen erspart.

Der Wandel, wie ihn die Regierung in Bern nun am Freitag bekannt gegeben hat, erfolgte auf massiven Druck Deutschlands, Großbritanniens und der USA. Und er kam, nachdem die wichtigsten Konkurrenz-Steuerbastionen wie Liechtenstein bereits gefallen waren.

Die Schweiz wäre mit einer offiziellen Aufnahme auf eine schwarze Liste der größten 20 Industrie- und Schwellenländer (G 20), auf der sie nach Auskunft von Finanzminister Hans-Rudolf Merz bereits stand, international gebrandmarkt worden. Deshalb zog Bern vor einer Sitzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) am Freitag in England die Reißleine.

Jetzt sollen rund 70 Doppelbesteuerungsabkommen neu ausgehandelt werden. Dabei will die Schweiz jedes Mal für ihr Einlenken, nun auch bei bewiesener Steuerhinterziehung Amtshilfe zu leisten, Konditionen herausarbeiten. Etwa die, dass die Vermögen in der Schweiz nicht durch ausländische Behörden angetastet werden, wenn die Steuerschuld erst einmal offengelegt ist. Merz selbst nahm das Wort "Amnestie" in den Mund. Er vergisst auch nicht zu erwähnen, dass etwa Deutschland im vergangenen Jahr nur einmal wegen Steuerbetrugs um Amtshilfe nachgefragt habe. Es wird sich zeigen, ob die Verhandlungspartner dem folgen werden, auch Liechtenstein hat solche Klauseln für seine Kunden erwähnt. Überhaupt haben Beobachter den Eindruck, dass man in der Schweiz und in Liechtenstein nun nicht schnell genug von der Vergangenheit wegkommen kann. Merz etwa will nun den Finanzplatz Schweiz strategisch neu ausrichten.

"Der Verzicht auf die Unterscheidung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung bei ausländischen Konten wird die Rahmenbedingungen ändern." Der Schweizer Finanzplatz habe eine ganze Reihe anderer Trümpfe. Dazu gehörten die politische Stabilität und die hohe Kompetenz der Bankiers. Der Bundesrat, die Regierung, habe sich "in eine internationale Dynamik eingereiht und zum Wohle des Landes" entschieden, ohne dabei das Schweizer Bankgeheimnis "zu Grabe getragen" zu haben. Das Land hoffe nun wieder auf "internationale Anerkennung".Auch das Großherzogtum Luxemburg ist zum Informationsaustausch mit anderen Ländern bei einem konkreten Verdacht auf Steuerhinterziehung bereit. Bisher gab Luxemburg Informationen an andere Staaten nur, wenn es um den Verdacht eines schweren "Steuerbetrugs" ging. Mit diesem Zugeständnis hofft das Großherzogtum nach Auskunft von Finanzminister Luc Frieden, nicht auf eine schwarze Liste von Steuerschlupflöchern gesetzt zu werden, die die G20-Gruppe plant. Herr Professor Bieg, fallen jetzt die letzten Steuerfestungen?

Bieg: Das glaube ich noch nicht. Man muss abwarten, wie die Regelungen ausgestaltet werden. Möglicherweise läuft es doch nicht so, wie manche sich das vorstellen. Den Schweizern war es wohl wichtig, die Geldgeschäfte mit den USA aufrecht zu erhalten und die internationale Ächtung zu verlieren. Deshalb hat die Schweiz eingelenkt.

Ist es nicht in Ordnung, dass die Steueroasen jetzt ausgetrocknet werden?

Bieg: Doch, das ist vollkommen in Ordnung.

In Europa muss es bis zu einem gewissen Punkt Transparenz innerhalb des Bankensystems geben. Es ist auf Dauer nicht tragbar, dass gewisse Länder Vorteile aus Steuerhinterziehungen haben.Muss man als Anleger kein mulmiges Gefühl haben, was mit den eigenen Daten passiert?

Bieg: Der Schutz der Privatsphäre muss auf jeden Fall erhalten bleiben. Dem Informationsbedürfnis der Finanzbehörden müssen Grenzen gesetzt werden. Man darf das Kind nicht mit dem Bad ausschütten.

Würden einfache und transparente Steuersysteme dem Ganzen nicht den Boden entziehen?

Bieg: Es wird immer unterschiedliche Steuersysteme geben. Aus diesem Grund sind die Menschen auch stets darauf aus, nach Wegen zu suchen, wie sie ihre Steuerschuld minimieren können. Das gilt übrigens auch für Unternehmen.

Hintergrund

Entwicklungsländern entgehen einer Studie zufolge jährlich bis 124 Milliarden US-Dollar (rund 97 Milliarden Euro), weil einheimisches Vermögen in Steuerparadiesen angelegt ist. Durch das "Trockenlegen" der Steueroasen wie auf der Insel Jersey und den Cayman Inseln könnten die armen Länder erhebliche Mittel für die Armutsbekämpfung einnehmen, teilte die Entwicklungsorganisation Oxfam am Freitag in Berlin mit.Oxfam plädiert für einen verbindlicheren Informationsaustausch zwischen den Staaten, um Steuerhinterziehung zu verhindern. Andere Länder sollten sich einer entsprechenden Initiative Deutschlands und Frankreichs anschließen. epd

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