Kein unbegrenzter Ausbau mehr

Berlin · Weniger Offshore, weniger Bio-Energie, Ausbau nur noch an „guten Standorten“. In den Koalititonsverhandlungen hat sich die Experten-Gruppe Energie nach langen Verhandlungen auf eine gemeinsame Linie geeinigt.

Hannelore Kraft muss warten. Ziemlich lange steht sie vor der schwarzen Tür des Hans-Jochen-Vogel-Saals im 5. Stock des Willy-Brandt-Hauses. Eine SPD-Mitarbeiterin versucht drinnen zu ergründen, wie lange die Union noch allein beraten will. Als sie rauskommt, fragt Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin: "Gibt's schon weißen Rauch?" Wenig später kommt Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) aus der Tür, die Krawatte ist abgelegt. Er bittet die SPD-Gruppe hinein: "So, liebe Frau Kraft, auf in die letzte Runde." Drei Stunden später gibt es am Samstagabend in der Arbeitsgruppe Energie tatsächlich weißen Rauch, es ist die bisher wohl größte Einigung in den Verhandlungen über eine große Koalition - auch wenn einiges ausgeklammert wird.

Altmaier spricht von der "größten Umgestaltung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) seit seiner Einführung". Kraft als AG-Leiterin für die SPD-Seite betont, man wolle die Kostendynamik bremsen. "Bei Wind an Land werden wir die Fördersätze senken, insbesondere an windstarken Standorten." Und: Bei der Offshore-Windkraft wird radikal der Rotstift angesetzt. Nur 6500 statt 10 000 Megawatt sollen bis 2020 in Nord- und Ostsee installiert werden, bis 2030 nur 15 000 statt 25 000 Megawatt.

Saar-Wirtschaftsminister Heiko Maas (SPD) allerdings betont, dass diese Planungen den Ausbau im Saarland nicht bremsen: Dieser werde "weiter möglich sein und von der Landesregierung auch in Zukunft konsequent vorangetrieben", sagte er nach den Gesprächen. Die "bundesweit guten Standorte" sollten "auch weiterhin wirtschaftlich zu betreiben sein".

Zuvor hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nochmals gemahnt: "Wir müssen vor allen Dingen die Kostenexplosion (. . .) bei den Umlagen für die erneuerbare Energie dämpfen." Bis Ostern soll die Reform stehen. Der Ausbau soll gedrosselt und billiger werden, bis 2020 soll der Ökostromanteil dennoch von heute 25 auf bis zu 40 Prozent steigen. Bis 2030 hätte die SPD gern 75 Prozent, doch das ist der Union zu viel. Da der Ausbau nicht mehr unbegrenzt, sondern entlang verbindlicher Ausbaukorridore erfolgen soll, ist die Zahl für Investoren sehr wichtig. Heute soll die große Verhandlungsrunde erst einmal das Paket ohne die noch offenen Streitpunkte billigen.

Wichtigstes Ergebnis: Förderung soll es nur noch für die "guten Standorte" geben. Das heißt: Anlagen werden nur noch dort gebaut, wo viel Strom zu "ernten" ist. Statt todsicherer Renditen soll es mehr Risiko und Wettbewerb geben. Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) warnt, den Süden abzuhängen und von Windstrom aus dem Norden abhängig zu machen. Fraglich ist auch, ob dann höhere Kosten beim Netzausbau drohen.

Die Denkfabrik Agora Energiewende fordert eine Vergütungsobergrenze von 8,9 Cent je Kilowattstunde. Das könnte gerade in Bayern und Baden-Württemberg den Ausbau deutlich geringer ausfallen lassen. Anfangs wurden etwa bei Solaranlagen über 50 Cent je Kilowattstunde zugesagt, garantiert auf 20 Jahre. Hier wird nach einer Bund-Länder-Reform keine Hilfe mehr für neue Anlagen gewährt, wenn der Förderdeckel von 52 000 Megawatt Leistung erreicht ist. 2016/2017 könnte es soweit sein.

Außer bei Wind setzen Union und SPD auch bei Biogasanlagen an: Es soll kaum noch Zubau geben - wegen der massiven Ausweitung des Maisanbaus.

Neben Förderkürzungen bei Neuanlagen wollen Union und SPD auch die teuren Industrierabatte etwas kappen. Altmaiers Pläne, Ausnahmeregeln für ganze Industriebereiche zu streichen, seien aber vom Tisch, sagt Maas. Vielmehr solle genauer geprüft werden, ob Unternehmen im internationalen Wettbewerb stehen. Auch das sei ein gutes Signal für die exportorientierte Saar-Wirtschaft, sagt Maas.

Strittig sind auch noch Prämienregelungen für unrentabel gewordene Gas- und Kohlekraftwerke. Die stehen heute auf der Tagesordnung.

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