Soziales Kein „Armuts-Tsunami“ im Alter

Berlin · Länger arbeiten, um dann als Rentner trotzdem in der Misere zu versinken? Medien haben in den letzten Jahren viele Horrorszenarien zu Bedürftigkeit im Alter entworfen. Eine aktuelle Untersuchung legt indes nahe: Die Angst ist übertrieben.

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Foto: SZ

Die allgemeinen Befürchtungen eines rasanten Anstiegs der Altersarmut sind offenbar zum großen Teil unbegründet. Das geht aus einer Untersuchung der Deutschen Rentenversicherung hervor, die gestern in Berlin vorgestellt wurde. Demnach könnte die Zahl der Ruheständler, die auf staatliche Grundsicherung angewiesen sind, bis zum Jahr 2030 im ungünstigen Fall auf etwas mehr als eine Million steigen. Die Armutsquote läge dann bei 5,5 Prozent. Heute sind es 3,1 Prozent.

Man wolle „nichts verharmlosen“, stellte die Forschungsleiterin der Rentenversicherung, Brigitte Loose, klar. Wahr sei aber auch, dass „Katastrophenmeldungen“ über „vollkommen überzogene Armutsquoten“ das Vertrauen in die gesetzliche Alterssicherung sinken ließen, so Loose.

Tatsächlich ist die Angst vor Altersarmut weit verbreitet. Einer früheren Erhebung zufolge rechnet weit mehr als jeder Dritte (38 Prozent) damit, im Alter von staatlicher Stütze leben zu müssen. Und Schlagzeilen wie „Auf das Rentensystem rollt ein Tsunami zu“ oder „Zahl der Rentner mit Hartz-Vier-Aufstockung explodiert“ dürften die Befürchtungen nicht kleiner werden lassen.

Ein Blick auf die Statistik zeigt allerdings, dass der Anteil der älteren Grundsicherungsbezieher an allen Ruheständlern zuletzt sogar leicht gesunken ist – von 3,2 auf 3,1 Prozent. Eine vergleichbare Entwickung gab es auch schon in den Jahren 2008 und 2009, als sich die Quote von 2,5 auf 2,4 Prozent verringert hatte. Ursache war seinerzeit eine Anhebung des Wohngeldes für einkommensschwache Haushalte. Der jüngste leichte Rückgang ist nach Auskunft der Rentenversicherung auf die kräftige Anhebung der Altersbezüge im Jahr 2016 zurückzuführen. Damals gab es eine Rentenerhöhung von mehr als vier Prozent im Westen und fast sechs Prozent im Osten. Nach aktuellem Stand ist der Anteil der älteren Grundsicherungsempfänger in Ost (2,1 Prozent) und West (3,3 Prozent) ebenfalls unterschiedlich. Und bei den Frauen (3,2 Prozent) liegt die Quote insgesamt höher als bei den Männern (2,9 Prozent).

Nach den Erwartungen der Rentenversicherung werden sich diese Quoten jedoch angleichen. Laut Studie holen die Männer insbesondere wegen der hohen Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland nach der Wende auf, derweil künftig mehr vormals erwerbstätige Frauen in Rente gehen werden als früher. Vor diesem Hintergrund müsse auch der gängige Befund „Altersarmut ist weiblich“ relativiert werden, meinte Loose.

Auf Basis der bisherigen Entwicklung bei den Grundsicherungsquoten geht die Rentenversicherung von zwei Szenarien aus: Unter günstigen Umständen könnte die Zahl der Rentner, die auf staatliche Stütze angewiesen sind, von jetzt rund 526 000 auf etwa 834 000 im Jahr 2030 steigen. Berücksichtigt sind hier zum Beispiel geplante Leistungsverbesserungen für Erwerbsminderungsrentner.

In der schlechteren Variante, die etwa auf der Annahme eines wachsenden Ausländeranteils unter den hilfebedürftigen Rentnern beruht, könnten es knapp 1,1 Millionen werden. Die Quote schwankt damit zwischen 4,3 und 5,5 Prozent. Letzteres bedeutet: Etwa jeder 18. Rentner würde 2030 als arm gelten.

In allen Altersgruppen der Ruheständler, die Grundsicherung bezögen, lasse sich ein Anstieg beobachten, resümierte der Autor der Studie, Bruno Kaltenborn. Das gelte insbesondere für die jüngeren Semester. Die Entwicklung sei aber weniger stark als vielfach befürchtet. „Es gibt keinen Tsunami bei der Altersarmut“, betonte Kaltenborn.

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