Katholikentag im Zeichen von Franziskus

Sie hat viele Jahrhunderte mit Irrungen und Wirrungen überdauert und wird nun erneuert – sehr behutsam, um die historische Substanz nicht zu gefährden: Die berühmte Steinerne Brücke in Regensburg ist eine Baustelle, die beim Katholikentag zum Sinnbild der noch viel älteren katholischen Kirche wurde. „Mit Christus Brücken bauen“ wollten die 53 000 Besucher bei dem fünftägigen größten Laientreffen.

 Michael Kneib vom Bistum Trier informierte Besucher am Stand des Bistums beim Katholikentag. Foto: altrofoto

Michael Kneib vom Bistum Trier informierte Besucher am Stand des Bistums beim Katholikentag. Foto: altrofoto

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Und bewegten sich mit ihrer Kirche genau in diesem Spannungsfeld zwischen Bewahren und Modernisieren.

An welcher Wegmarke die katholische Kirche mit ihren gut 24 Millionen Schäfchen in Deutschland nun steht, lässt sich schwer bestimmen. Klar wurde in Regensburg, dass sie mehr als einen Schritt weiter ist als noch vor einigen Jahren. Und dass Aufbruchstimmung herrscht.

Kontroverse Diskussionen um den Umgang mit Homosexuellen, offener Schlagabtausch zwischen einem Missbrauchsopfer und einem Bischof, ein Podium zu Schwangerenkonfliktberatung und Abtreibung, Debatten über das Geld der Kirche und einen kollegialeren Führungsstil: Kritik darf stattfinden, viele Gläubige haben ihre Sprache wiedergefunden. Wer den Mund aufmacht, wird nicht mehr abgestraft.

Möglich macht das nicht zuletzt Papst Franziskus, jener "Popstar", der allein durch sein Auftreten und seine Worte so viel frischen Wind in die Kirche brachte, ohne freilich bisher konkrete theologische oder strukturelle weltkirchliche Umwälzungen auf den Weg zu bringen. "Der Franziskus-Effekt ist da", sagt Münchens Erzbischof Kardinal Reinhard Marx, seit März Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und zudem einer der engsten Berater des Papstes.

Und so berufen sie sich alle auf den Pontifex (Brückenbauer): die jungen Ministranten, die Caritas-Mitarbeiter, die kritischen Basisgruppen, die Bischöfe - selbst die besonders Konservativen unter ihnen wie Gastgeber Rudolf Voderholzer, der sich über einen "weitgehend harmonischen, unverkrampften Katholikentag" freute.

Trotz teilweise wolkenbruchartiger Regenfälle ließen sich die Besucher die Laune nicht vermiesen. Menschenmassen im mächtigen Dom, bayerische Bläser und tschechische Rocker, ein Kerzenmeer zur Besinnung, eine Kreuzprozession durch enge Gassen, der Zauber der Orgel und der Glocken, Zehntausende bei der Eucharistie unter freiem Himmel: Es war nicht nur ein politischer und kirchenpolitischer Katholikentag mit Bundespräsident und Kanzlerin - es war ebenso ein Fest der Spiritualität, der Versicherung des Glaubens, des Erlebens von Gemeinschaft. Auch das macht den besonderen Charakter solcher Treffen aus, die es im jährlichen Wechsel sowohl bei Katholiken als auch bei Protestanten gibt.

Regen Zuspruch fand auch der Stand des Bistums Trier, der sich ganz der Synode widmete, die derzeit über die Zukunft des Bistums diskutiert und berät. Es gehe darum, als Bistum zeitgemäße Antworten auf die Herausforderungen an die Kirche zu finden, sagte Manfred Thesing, Vorsitzender des Katholikenrats im Bistum Trier. Viel Prominenz kam vorbei: Der Trierer Bischof Ackermann und die Weihbischöfe Peters und Brahm am Stand zu Gast, außerdem Kardinal Marx als früherer Trierer Bischof und Münsters Bischof Felix Genn als früherer Weihbischof im Bistum Trier und außerdem die rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende Julia Klöckner sowie Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, die aus dem Bistum Trier kommt.

"Man hat in Regensburg gespürt, dass mehr Zuversicht herrscht in der Kirche", bilanziert Alois Glück vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Es sei mehr Bereitschaft zum Dialog, mehr Zuversicht zu spüren. Auch Kardinal Marx meint, nach schweren Jahren habe das Treffen Mut gemacht. "Wir spüren Rückenwind für unsere Arbeit."

Die wird nun weiter im Fokus stehen, denn nach Regensburg ist der Druck auf die Amtskirche wohl weiter gewachsen. Dialogfähigkeit, das Akzeptieren der Meinung anderer, das Austragen von Kontroversen sind richtig und wichtig. Aber müssen Franziskus und die deutschen Bischöfe, die ja einen breiten Dialogprozess mit den Laien schon 2010 als Folge des Missbrauchsskandals anstießen, nicht auch bald liefern?

"Es reicht nicht aus, über Aufbruch zu reden", mahnt Christian Weisner von der kritischen Basisgruppe "Wir sind Kirche". Katholikentagsbesucherin Eva Schneider aus Niederbayern wünscht sich, dass der Papst ein Konzil einberuft: "Es muss etwas konkret passieren über den Dialog hinaus."

Die Themen liegen auf dem Tisch, und der Klerus muss die Frage beantworten, was die von Franziskus propagierte "Arme Kirche für die Armen", die Zuwendung zu den Ausgestoßenen, denjenigen am Rand und in Not bedeutet. Gibt es neue Lösungen für Menschen, die nach gescheiterter Ehe wieder heiraten und deshalb als Sünder keine Sakramente mehr empfangen dürfen? Was ist mit der Beratung von ungewollt Schwangeren, aus der sich die Amtskirche vor Jahren zurückzog? Gibt es mehr Macht für Frauen? Wie geht es mit der Ökumene weiter? Und wie viel Geld und Güter muss eine arme Kirche besitzen?

Dass der Brückenbau schwer und voller Widerstände ist, illustrierte Bischof Voderholzer in Regensburg, indem er Abtreibung ein "Massaker" im Mutterleib nannte. Gleichzeitig wurde bekannt, dass er in die mächtige Glaubenskongregation in Rom berufen wurde.

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