Kann er es noch einmal?

Allan Lichtman gehört zu den wenigen Experten in Washington, die den früheren "Yes-We-Can"-Präsidenten auf der Siegerstraße sehen. "Ich kann nicht erkennen, wie Obama 2012 verlieren soll", sagt der konservative Präsidentschaftshistoriker ohne jeden Zweifel

 Barack Obama kämpft um seine Wiederwahl als US-Präsident. Laut Umfragen hat er jedoch viel Zustimmung verloren. Foto: Kowalsky/dpa

Barack Obama kämpft um seine Wiederwahl als US-Präsident. Laut Umfragen hat er jedoch viel Zustimmung verloren. Foto: Kowalsky/dpa

Allan Lichtman gehört zu den wenigen Experten in Washington, die den früheren "Yes-We-Can"-Präsidenten auf der Siegerstraße sehen. "Ich kann nicht erkennen, wie Obama 2012 verlieren soll", sagt der konservative Präsidentschaftshistoriker ohne jeden Zweifel. Weder die schwachen Zustimmungswerte von zurzeit im Schnitt 45 Prozent, noch die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit um die neun Prozent bringen ihn von seiner Vorhersage ab.Lichtman hat dafür Anfang der 80er Jahre eine Reihe von Kriterien entwickelt: Wenn sechs seiner so genannten dreizehn "Schlüssel zum Weißen Haus" gegen den Amtsinhaber sprechen, sagt das Modell einen Sieg der Opposition voraus. "Wir lagen nie daneben", sagt der Professor der "American University" in Washington, dessen Prognosen sieben Mal in Folge den Wahlgewinner vorhersagten. "Kein anderes System hat sich nur annähernd als so treffsicher erwiesen."

Lichtman prognostizierte die Niederlage George H. W. Bushs im Jahr 1992 bereits, als dieser nach der Befreiung von Kuwait noch auf einer Beliebtheitswelle schwamm. Mit der gleichen Gewissheit erklärte er 2005, die Demokraten könnten einen Namen aus dem Telefonbuch auswählen und würden die Republikaner im Rennen um das Weiße Haus schlagen. Bei den Wahlen am 6. November 2012 laufe nun alles auf einen Wahlsieg Obamas hinaus, weil er neun der dreizehn "Schlüssel" zum Weißen Haus in der Hand halte.

Der Demokrat profitiert nach Lichtmans Auffassung davon, ohne Gegner in der eigenen Partei anzutreten. Und er hat den Bonus des Amtsinhabers. Während seiner Amtszeit hat er politische Änderungen wie die Gesundheitsreform durchsetzen können, und trotz der Proteste von rechten "Tea-Party"-Populisten und linken "Occupy-Wall-Street"-Aktivisten gibt es keine sozialen Unruhen. Obamas Zeit im Weißen Haus war ohne Skandale und außenpolitische Schlappen. Im Gegenteil: Er punktete mit Osama bin Laden, Irak und Libyen. Schließlich fehlen ein Herausforderer mit Charisma oder ein unabhängiger Kandidat, der die Lager aufmischen könnte.

Gegen eine Wiederwahl des Präsidenten sprechen laut Lichtmans Analyse die kurz- und die langfristigen Aussichten für die Wirtschaft, der Verlust der Mehrheit im Repräsentantenhaus und seine verloren gegangene Ausstrahlung.

Obamas Wahlkampfstrategen verlassen sich jedoch nicht auf die günstige Prognose des renommierten "Orakels". Stattdessen basteln sie an einem Lagerwahlkampf, der die 130 Millionen Wähler im kommenden Jahr vor eine klare Alternative stellt. Entweder mit dem republikanischen Kandidaten in die düsteren Jahre George W. Bushs zurückzukehren, der den USA einen Scherbenhaufen hinterlassen hat. Oder dem Amtsinhaber vier weitere Jahre zu geben, um der Supermacht wieder auf die Beine zu helfen. Der Blockadekurs der Republikaner im Repräsentantenhaus spielt Obama dabei genauso in die Hände wie das von Rechtsauslegern dominierte Kandidatenfeld der Konservativen.

Diese liefern Obama genügend Munition für seinen Feldzug, der unter dem Schlachtruf "Wir können nicht warten"´ den Republikanern die Verantwortung für die Stagnation der Wirtschaft zuweist. Die Heißsporne der Tea Party riskierten mit der künstlich erzeugten Krise um die Anhebung der Neuverschuldungsgrenze das wirtschaftliche Wohlergehen der Nation, um politisch zu punkten. Sie blockieren das 450-Milliarden-Dollar teure Jobprogramm, obwohl es zum großen Teil aus Initiativen besteht, die Obama von den Republikanern übernommen hat. Und sie ignorieren die Nöte der Mittelklasse, die unter Arbeitslosigkeit, sinkenden Hauspreisen und immer neuen Einschnitten in das löchrige soziale Netz leiden.

Außer Willard "Mitt" Romney gebe es niemanden im Feld der republikanischen Präsidentschaftsbewerber, der für die Wähler der Mitte attraktiv sei, sagt Charlie Cook vom National Journal. Doch die Basis trage ihm nach, bei Themen wie Abtreibung und Einwanderung seine Positionen so häufig wie seine Schuhe gewechselt zu haben.

Obama hat nicht mehr das Charisma des strahlenden Wahlsiegers. Dafür wiegen die Probleme des Landes zu schwer. Aber seine Umfragewerte liegen weit vor denen aller anderen Institutionen der US-Politik. Verglichen mit dem historisch niedrigen Zustimmungswert von neun Prozent für den republikanisch dominierten US-Kongress, ist der Präsident geradezu populär.

 Barack Obama kämpft um seine Wiederwahl als US-Präsident. Laut Umfragen hat er jedoch viel Zustimmung verloren. Foto: Jeff Kowalsky/dpa

Barack Obama kämpft um seine Wiederwahl als US-Präsident. Laut Umfragen hat er jedoch viel Zustimmung verloren. Foto: Jeff Kowalsky/dpa

Vielleicht behält Lichtman ja auch diesmal Recht. Andererseits kann sich bis zum Wahltag noch viel verändern. Wer nur ein wenig von Präsidentschaftswahlen versteht, weiß, dass ein Jahr in der US-Politik eine Ewigkeit ist.

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