Kann das Saarland Oktoberfest?

Homburg/München · Merzig, Neunkirchen, Merchweiler, Homburg: Es gibt viele Oktoberfeste im Saarland. Aber können sie mit dem Original in München mithalten? Die SZ hat es getestet und die Antwort ist eindeutig zweideutig.

 SZ-Redakteurin Stefanie Marsch (l.) feiert mit Freundin Nele Scharfenberg auf dem Homburger Oktoberfest. Foto: Marsch

SZ-Redakteurin Stefanie Marsch (l.) feiert mit Freundin Nele Scharfenberg auf dem Homburger Oktoberfest. Foto: Marsch

Foto: Marsch
 Homburg weiß, wie man es krachen lässt: Die Wiesn-Gäste tanzen auf den Bänken. Foto: Wolf

Homburg weiß, wie man es krachen lässt: Die Wiesn-Gäste tanzen auf den Bänken. Foto: Wolf

Foto: Wolf

Ein einfaches Rezept. So scheint es. Man nehme: Bierzelt, zünftige Musik, bayerische Tracht, Hendl und Weißwürscht und jede Menge Bier. Alles gut vermischen, fertig ist das Oktoberfest wie in München. Viele haben dieses Rezept schon ausprobiert. Auch im Saarland schießen die Oktoberfeste wie Pilze aus dem Boden. Aber ist es wirklich so einfach? Lässt sich das Original kopieren? Kann das Saarland überhaupt Oktoberfest ? Eine Bayerin hat in Homburg und München mitgefeiert und den Test gemacht.

Ein Vergleich zwischen dem größten Volksfest der Welt und einem Oktoberfest im Saarland? Das hinkt doch! Allein schon die Zahlen. München: 310 000 Quadratmeter, 14 riesige Bierzelte mit bis zu 10 000 Plätzen, mehr als sechs Millionen Besucher und ebenso viele Liter Bier. Homburg: der Platz vor dem Hallenbad, 3200 Menschen passen ins Zelt, 14 Bedienungen, rund 12 000 Besucher. Aber es geht eben nicht nur um Fakten. Es geht ums Feiern. Also pack ma's!

München: Die Menge wogt. Ungeduldig, freudig gespannt, aber auch ein bisschen aggressiv. Ein paar Tippel-Schritte vor, ein paar zurück. Ein Tritt auf den Fuß, ein Ellbogen im Bauch. Autsch! Grimmig dreinblickende Ordner lassen niemanden vorbei. Da hilft auch kein Drängeln. Wer Platzangst hat, verliert. Dann öffnen sich endlich die Türen, und wie ein schwerfälliger Tausendfüßler setzt sich die Masse in Bewegung. Rein ins Zelt, ab ins bierselige Vergnügen.

Homburg: Die Füße sind hier sicher. Lange anstehen muss auch niemand. Ganz bequem das Bändchen an der Kasse abholen und schon geht's ins Zelt. Wie angenehm! Drinnen liegt ein aufgeregtes Summen in der Luft. Fast alle Tische sind schon belegt. Menschen in Tracht, soweit das Auge reicht. Homburg macht ernst. Und wie beim Original in Bayern werden die Bierzeltplanken zum Laufsteg: Dirndl in den verschiedensten Farben, klassisch blau-weiß kariert bis neonpink, Patchwork-Muster, Jeans-Stoff, Schürzen aus Tüll, Stickereien aus Gold. Frauen in knappen Lederhosen, mit kecken Hüten und kunstvollen Flechtfrisuren. Am Tisch dauert es ein wenig, bis die erste Maß - ja, DIE Maß, mit kurzem A und scharfem S - auf dem Tisch steht. Doch dann rinnt das Bier süffig durch die Kehle. Schon vor dem Fassanstich, der hier das Fest nicht eröffnet, sondern einer der Höhepunkte des ersten Abends ist. Mit vier Schlägen hat Münchens neuer Oberbürgermeister Dieter Reiter ordentlich vorgelegt. Homburgs Bürgermeister Klaus Roth kann da nicht nachziehen. Aber nach acht Schlägen heißt es dann doch: O'zapft is!

München: Die Band zieht das Tempo langsam an. Auf einer erhöhten Bühne mitten in der Menge, gebaut wie ein altes Karussell mit Pferdchen, verabschieden sich die Musiker von den gepflegten bayerischen Märschen zum Essen und packen die Party-Schlager aus. Schluss mit "griabig". Die Brotzeit mit Tiroler Speck, Radi und Brezn ist mit einer Maß zum stolzen Preis von 9,95 Euro runtergespült. Zeit für ein bisschen Bewegung. Nicht nur der Arm, der beim "Prosit der Gemütlichkeit" den Maßkrug stemmt, sondern der ganze Körper. Rauf auf die Bank und tanzen, schunkeln, grölen. Innerhalb von Minuten wimmelt die Menge wie ein Bienenstock. Spätestens bei Helene Fischers "Atemlos" sind es auch die Wiesn-Gäste. Der Wahnsinn!

Homburg: "Wos fir a geile Party, Homburg", schreit der Sänger ins Mikrofon. Und recht hat er. Die "Donnervögel", extra aus Straubing eingeflogen, treiben bis auf ein paar Hartgesottene alle auf die Bierbänke. Zillertaler Hochzeitsmarsch, Anton aus Tirol, Lieschen Lieschen. Dazwischen immer wieder: "Und dann die Krüge zum Himmel . . ." Für vergleichsweise günstige 8,20 Euro. In einem der Gänge bildet sich spontan eine Polonaise. Mittendrin im Getöse Bierkönigin Marie-Christin, die sich an die Spitze der Kolonne setzt. Mit der Stimmung steigt die Hitze im Zelt. Frische Luft tut Not.

München: Ein Gang über die Wiesn ist wie ein Rausch der Sinne. Alles ist gefordert, manchmal überfordert. Gebrannte Mandeln, Zuckerwatte, Steckerlfisch. Bayerisch, Englisch, Japanisch, Italienisch. Blinkende Lichter. Wummernde Bässe. Achterbahnen - immer schneller, immer höher. Steigen Sie ein, fahren Sie mit! Erfahrene Wiesn-Gänger gönnen sich da lieber ein stilleres, dafür umso diebischeres Vergnügen. Toboggan ist eine hölzerne Turmrutsche. Ganz gediegen geht's runter. Spannend ist aber der Weg nach oben. Er führt über ein schnell laufendes Förderband. Geschicktes Personal steht zum Helfen bereit. Aber die Herren der Schöpfung wollen es natürlich selbst schaffen - und landen mit zunehmendem Bierkonsum gern mal auf dem Lederhosenboden. Was für eine Gaudi für die Zuschauer, die sich in großen Trauben vor dem Toboggan versammeln. Und dieser Spaß kostet nichts - auf der Wiesn eine Seltenheit.

Homburg: Die Runde über das Oktoberfest ist schnell beendet. Ein paar Buden und eine Almhütte mit Biergarten, die aber noch fast verwaist ist. Die Party steigt schließlich im Zelt. Gebrannte Mandeln gibt es in allerlei Varianten, von Nutella bis Toffifee. Wer sich nicht entscheiden kann, darf sogar erst probieren. Gegenüber dann doch ein Stück Saarland in der bayerischen Enklave mitten in Homburg. Auf einem Schwenker brutzeln Rostwürste. Da wird so mancher Hendl und Weißwürscht untreu und nimmt sich noch eine Stärkung mit für den Weg nach Hause.

Und wie lautet nun das Fazit? Kann das Saarland Oktoberfest ? Jein. Das Münchner Oktoberfest ist einfach einzigartig. Ein Schmelztiegel - und nur zusammen machen die vielen Bestandteile diesen irrsinnigen Rausch aus, mit allen guten und schlechten Nebenwirkungen. Die Mischung aus Nostalgie und Moderne, aus bayerischer Tradition und internationalem Flair, aus Chaos und Gemütlichkeit - das ist nicht zu kopieren. Aber eines lässt sich sehr wohl über die Weißwurscht-Grenze hinweg transportieren: die Feierkultur. Und wer könnte das besser als die Saarländer? Die wissen ebenso, was ein gutes Fest ausmacht. Sie haben Gemütlichkeit, die Liebe zu Bier und deftigem Essen, Ausdauer und den nötigen Hang zum Wahnsinn im Blut. Also weiterfeiern! I bin im nächsten Jahr a gern wieda dabei.

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