Kampf um Steuergerechtigkeit oder Wirtschaftsspionage?

Düsseldorf. Noch können sich die drei nordrhein-westfälischen Steuerfahnder in Europa relativ frei bewegen. Zwar drohen ihnen in der Schweiz Festnahme und Untersuchungshaft, weil sie am Ankauf einer CD mit Daten von deutschen Steuersündern beteiligt sein sollen. Aber ein internationaler Haftbefehl liegt noch nicht vor

 Haftbefehle lassen den deutsch-schweizer Steuerkonflikt hochkochen. Foto: Jensen/dpa

Haftbefehle lassen den deutsch-schweizer Steuerkonflikt hochkochen. Foto: Jensen/dpa

Düsseldorf. Noch können sich die drei nordrhein-westfälischen Steuerfahnder in Europa relativ frei bewegen. Zwar drohen ihnen in der Schweiz Festnahme und Untersuchungshaft, weil sie am Ankauf einer CD mit Daten von deutschen Steuersündern beteiligt sein sollen. Aber ein internationaler Haftbefehl liegt noch nicht vor. Der könnte noch kommen, warnt ein Justizexperte - Gedankenspiele, die man im Umfeld des NRW-Finanzministers, des Dienstherrn der Beamten, nicht mitspielen möchte.Die rot-grüne Landesregierung hat das Vorgehen der Schweizer Justiz als Einschüchterungsversuch gewertet. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) kritisierte das Vorgehen scharf. NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) sagte: "Man kann nicht anständig miteinander verhandeln, wenn Haftbefehle gegen die, die ihre Pflicht tun, in der Welt sind."

Während die Kanzlerin das Verhältnis beider Staaten nicht belastet sieht, kommt aus Düsseldorf Widerspruch: Die Haftbefehle seien für das geplante Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz "ganz klar eine Belastung", heißt es im NRW-Finanzministerium. Bislang hatten die SPD-geführten Länder das von der Bundesregierung ausgehandelte Steuerabkommen blockiert und der Schweiz so Zugeständnisse abgerungen. Das Schweizer Rechtshilfeersuchen samt Haftbefehlen, das vom 20. März datiert, hat die Lage nun zugespitzt. Im Wahlkampf in NRW wirkt es wie eine Steilvorlage. Die SPD sieht sich in ihrer harten Linie gegen Steuerhinterzieher bestätigt - auch wenn die CD mit 1100 Namen deutscher Kunden der Credit Suisse noch zu schwarz-gelben Regierungszeiten vom Land NRW angekauft worden war.

In Deutschland können sich die Steuerfahnder auf das Bundesverfassungsgericht berufen, das den Ankauf von CDs mit Daten deutscher Steuerhinterzieher für rechtmäßig erklärt hat. Aus Sicht der Schweizer Justiz ist das deutsche Bemühen um Steuergerechtigkeit ein Fall von Wirtschaftsspionage und Verletzung des Schweizer Bankgeheimnisses. Denn die Deutschen sollen nicht nur Gestohlenes angekauft, sondern auch zum Diebstahl angestiftet haben. Es geht vor allem um eine Powerpoint-Präsentation der Credit Suisse, die deutschen Ermittlern zugespielt worden war.

Die Steuerfahnder hätten zuvor um Material gebeten, das den Verdacht der Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Schweizer Banker belegt. Unter diesem Aspekt war die Präsentation über den Umgang mit deutschen Kunden und ihrem Steuerproblem ein Volltreffer: Die Großbank Credit Suisse musste in den vergangenen Monaten 150 Millionen Euro an die nordrhein-westfälische Gerichtskasse überweisen, um ein Strafverfahren gegen ihre Mitarbeiter zu beenden, in dem die Präsentation als wichtiges Beweismittel diente.

Ob die Schweizer Haftbefehle ehrliches Bemühen einer unabhängigen Justiz oder ein Schachzug im Ringen um das Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz und den Erhalt des Bankgeheimnisses sind, darüber wird heftig diskutiert.

Mit dem Verständnis, das Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für das Schweizer Vorgehen geäußert hat, hat sich die Regierung in die Vermittler-Rolle gebracht. So will sie dem Steuerabkommen im Ringen mit der Schweiz auf der einen und der SPD auf der anderen Seite doch noch zum Durchbruch verhelfen.

Hintergrund

 Haftbefehle lassen den deutsch-schweizer Steuerkonflikt hochkochen. Foto: Jensen/dpa

Haftbefehle lassen den deutsch-schweizer Steuerkonflikt hochkochen. Foto: Jensen/dpa

Deutsche Kapitalflüchtlinge haben bis zu 180 Milliarden Euro illegal in die Schweiz geschleust. Deshalb haben die Finanzminister beider Staaten im Oktober 2010 ein Steuerabkommen vereinbart, das 2013 in Kraft treten soll. Den von SPD und Grünen geführten Bundesländern gehen die vereinbarten Regelungen nicht weit genug. Umstritten sind unter anderem die Besteuerung des Milliarden-Altvermögens deutscher Kunden bei Schweizer Banken sowie der Grad von deren Anonymität. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist auf SPD und Grüne angewiesen, da der Bundesrat das Steuerabkommen billigen muss. dpa

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