Kampf an der Wurzel der Bedrohung

Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage in Afghanistan?Schockenhoff: Die Sicherheitslage ist eindeutig schwieriger geworden, auch im Norden. Deswegen ist eine militärische Verstärkung sinnvoll. Im nächsten Jahr finden zudem Präsidentschaftswahlen statt. Gerade in dieser Phase brauchen wir so viel Stabilität wie möglich

Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage in Afghanistan?

Schockenhoff: Die Sicherheitslage ist eindeutig schwieriger geworden, auch im Norden. Deswegen ist eine militärische Verstärkung sinnvoll. Im nächsten Jahr finden zudem Präsidentschaftswahlen statt. Gerade in dieser Phase brauchen wir so viel Stabilität wie möglich.

Ist die Erhöhung auf 4500 Bundeswehrsoldaten nicht wieder nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

Schockenhoff: Es ist klar, dass wir damit nicht auf Dauer Stabilität und Sicherheit in einem so großen Gebiet gewährleisten können. Das müssen die Afghanen selbst leisten, deren Aufbau und Einsatz wir nach Kräften unterstützen. Der Kampf in Afghanistan kann nicht allein militärisch gewonnen werden, weshalb gerade die zivilen Anstrengungen verstärkt werden müssen.

Aber beim Aufbau der afghanischen Armee und Polizei hapert es.

Schockenhoff: Unsere Bündnispartner haben ihre Ausbildungskontingente erheblich erhöht, am meisten leisten die USA. Deutschland stellt zukünftig zwei zusätzliche Ausbildungsteams für die afghanische Armee bereit. Außerdem hat die EU die Zahl ihrer Polizeiausbilder verdoppelt. Es ist ganz klar: Wenn wir die angestrebten Aufbauziele nicht schneller erreichen, dauert unser Einsatz dort umso länger.

Wann können sich die internationalen Truppen wieder aus Afghanistan zurückziehen?

Schockenhoff: In dem Maße, in dem die afghanischen Sicherheitskräfte selbst Stabilität und Sicherheit gewährleisten können, können wir uns zurückziehen. Angesichts der neuen Lage vor Ort wäre es fahrlässig, dafür ein Datum zu nennen. Vielmehr geht es darum, diesen Zustand zu erreichen. Ich kann nur betonen, dass wir ihn umso schneller erreichen, je mehr wir alle - die internationale Gemeinschaft, aber auch die afghanische Regierung selbst - bereit sind zu tun.

Ist auch eine neue politische Strategie notwendig, etwa die Einbeziehung der Taliban?

Schockenhoff: Alle, die bereit sind, am Aufbau eines demokratischen und rechtsstaatlichen Afghanistan mitzuwirken, müssen in den Dialog einbezogen werden. Jene, die eine solche Stabilität nicht wollen, können nicht Partner sein. Ich würde es nach Volksgruppen definieren: Alle Volksgruppen müssen an einer neuen Machtbalance beteiligt sein.

Vielleicht ist Demokratie in Afghanistan etwas anderes als bei uns?

Schockenhoff: Natürlich wird Afghanistan ein Demokratiemodell haben müssen, das den gewachsenen Strukturen - vor allem den Clanstrukturen - entspricht. Entscheidend ist die Gewährleistung der Rechtsstaatlichkeit, der Bürger- und Freiheitsrechte sowie der Rechte der Volksgruppen.

Können Sie der Mutter oder Ehefrau eines deutschen Soldaten guten Gewissens erklären, warum Sie ein weiteres Mal für den Einsatz stimmen werden?

Schockenhoff: Ja. Der Einsatz ist verantwortbar, weil die Alternative für alle, auch für uns Deutsche, wesentlich gefährlicher wäre. Die Alternative wäre, dass von Afghanistan aus wieder Terror organisiert würde und Afghanistan zum scheiternden Staat würde. Wir haben ein ureigenes Interesse daran, den Kampf dort zu führen, wo die Wurzel der Bedrohung für uns liegt.

 Bundeswehrsoldaten gehen in der Stadt Taloqan bei Kundus auf Streife. Foto: dpa

Bundeswehrsoldaten gehen in der Stadt Taloqan bei Kundus auf Streife. Foto: dpa

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