Kabinett legt BND an eine etwas kürzere Leine
Nach monatelangen Verhandlungen innerhalb der großen Koalition hat die Regierung die Reform des Bundesnachrichtendienstes auf den Weg gebracht. Mit dem 75-seitigen Gesetz soll geregelt werden, was deutsche Auslandsspione künftig dürfen und was nicht. SZ-Korrespondent Hagen Strauß beantwortet zentrale Fragen.
Weshalb werden die Befugnisse des BND neu festgelegt?
Vor drei Jahren sorgten die Enthüllungen des NSA-Mitarbeiters Edward Snowden für Aufsehen. Demnach sammelte der US-Geheimdienst massenhaft Kommunikationsdaten in Deutschland und hörte sogar die Kanzlerin ab. Und zwar mit Hilfe des BND über die Abhörstation in Bad Aibling. Dann wurde bekannt, dass der BND selbst befreundete Regierungen ausspioniert hatte.
Was darf der BND künftig in befreundeten EU-Staaten?
Laut Entwurf des "Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes", der unserer Redaktion vorliegt, darf der BND künftig eine "gezielte Erfassung" von Einrichtungen der EU und öffentlichen Stellen ihrer Mitgliedsstaaten vornehmen, wenn die Bundesregierung zustimmt - oder zumindest das Kanzleramt mit dem Auswärtigen Amt und den Ministerien für Inneres, Verteidigung und Wirtschaft. Zudem muss es um Gefahren für die innere oder äußere Sicherheit Deutschlands gehen. Gemeint sind damit ein terroristischer Anschlag, der Kampf gegen Schleuserbanden und organisierte Kriminalität oder die Verhinderung von Cyberangriffen.
Wie soll der Dienst konkret an seine Erkenntnisse gelangen können?
Durch Datenerhebung "anhand von Suchbegriffen", zum Beispiel einer E-Mail-Adresse. Dafür benötigt der BND Hilfe von Telekommunikationsunternehmen. Sie können verpflichtet werden, Daten auszuhändigen. Die Speicherdauer beträgt höchstens sechs Monate, eine längere Speicherung setzt eine Prüfung im Einzelfall voraus. Außerdem darf der BND auch Daten mit anderen Diensten tauschen - wenn die Gefahrenabwehr sonst "wesentlich erschwert oder unmöglich" ist.
Was wird dem BND untersagt?
Im Inland ist für ihn die Überwachung der Telekommunikation deutscher Staatsbürger wie aller anderen "sich im Bundesgebiet aufhaltenden Personen" unzulässig. Zugleich darf der BND keinesfalls die Kommunikation von Staatsoberhäuptern überwachen, mit denen Deutschland enge Beziehungen unterhält. Wirtschaftsspionage ist im In- und Ausland tabu. Darüber hinaus darf er nicht bei anderen Diensten eine Datenerfassung veranlassen, wenn er sie selbst nicht tätigen darf.
Wie wird der BND kontrolliert?
Die bislang zuständigen Instanzen, die G-10-Kommission und das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages, werden um ein "Unabhängiges Richtergremium" ergänzt. Es soll mindestens alle drei Monate geheim beraten. In ihm sitzen zwei Richter des Bundesgerichtshofs und ein Vertreter der Bundesanwaltschaft . Die Juristen "mit Erfahrung in Strafsachen" werden vom Kanzleramt informiert über die Anordnungen zur Fernmeldeaufklärung des BND im Ausland. Das Richtergremium darf "stichprobenartig" kontrollieren, ob der Nachrichtendienst gesetzliche Vorgaben einhält - oder nicht.
Meinung:
Keine Ketten für die Spione
Von SZ-Korrespondent Hagen Strauß
Bei der Reform des BND-Gesetzes musste die Koalition zum Jagen getragen werden. Die NSA-Affäre und die Verquickung des BND hat die Regierung nicht handeln lassen. Diesen Skandal hätte man am liebsten ausgesessen.
Jetzt liegt also ein Gesetzentwurf vor, der an wesentlichen Stellschrauben dreht. Es werden erhebliche rechtliche Klarstellungen für die Aktivitäten des Geheimdienstes vorgenommen. Die Spione finden das alles andere als schön, wie zu hören ist. Wen wundert es. Sie fürchten eine Bürokratisierung ihrer Arbeit. Außerdem geht die Sorge um, von den Partnerdiensten nur noch belächelt zu werden. Wahr ist aber: Nach der NSA-Affäre war die Reform unumgänglich. Das Eigenleben des BND musste schleunigst beendet werden. Jetzt sind die Regeln eindeutiger und die Verantwortlichkeiten klarer. An Ketten werden die Spione also nicht gelegt. Sie müssen aber künftig zielgenauer arbeiten. Gut so.