EU-Wahlen Juristen sehen Sperrklausel kritisch

Berlin/Brüssel · Bei der Wahl zum Europaparlament sollte eine Prozenthürde nicht höher als zwei Prozent liegen, sagen Experten. Außerdem dürfe sie es nicht vor 2024 geben.

 Das EU-Parlament in Straßburg. Bei der vergangenen Wahl sind auch Kandidaten von Kleinstparteien hier eingezogen. Politiker von CDU und SPD wollen das möglichst schon beim nächsten Urnengang 2019 verhindern.

Das EU-Parlament in Straßburg. Bei der vergangenen Wahl sind auch Kandidaten von Kleinstparteien hier eingezogen. Politiker von CDU und SPD wollen das möglichst schon beim nächsten Urnengang 2019 verhindern.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Im Kampf gegen eine neue Sperrklausel für die Europawahlen bekommen deutsche Kleinstparteien wie Freie Wähler und Piraten Rückendeckung von den Rechtsexperten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages. In einer aktuellen Analyse vertreten die unabhängigen Fachleute die Auffassung, dass der deutsche Gesetzgeber bei der Wiedereinführung einer Hürde weder zeitlich noch der Höhe nach über „das europarechtlich Zwingende“ hinausgehen darf. Konkret ist demnach lediglich eine Sperrklausel in Höhe von zwei Prozent vorstellbar. Zudem dürfte sie frühestens zur Europawahl 2024 eingeführt werden.

Ihre Skepsis gegenüber einer höheren Hürde und einer früheren Einführung begründen die Rechtsexperten mit Urteilen des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hat nationale Sperrklauseln für die Wahl zum Europäischen Parlament bereits zweimal gekippt, indem es sie als unzulässigen Eingriff in die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien bewertete.

Um dennoch wieder eine Hürde in Deutschland einführen zu können, überzeugte die Bundesregierung zuletzt die anderen EU-Staaten, über das EU-Wahlrecht eine verbindliche Hürde in Höhe von mindestens zwei und höchstens fünf Prozent einzuführen. Dies funktionierte vor allem deswegen, weil sie so konzipiert wurde, dass sie nur Deutschland und mit Einschränkungen Spanien betrifft.

Ihr Eintreten für eine Wiedereinführung der Sperrklausel für die Europawahl begründen CDU und SPD mit der Sorge vor einer Zersplitterung des EU-Parlaments. Die Kleinstparteien und Linken-Politiker halten dies allerdings für Quatsch und gehen davon aus, dass es CDU und SPD nur darum geht, die möglicherweise frei werdenden Sitze selbst besetzen zu können. „Zu einer freien Wahl und zur Chancengleichheit gehört, dass man jede Partei wählen kann, ohne Angst haben zu müssen, dass die Stimmen wegen einer Sperrklausel verloren gehen“, kommentierte der Linken-Bundestagsabgeordnete Jan Korte zu der neuen Analyse der Rechtsexperten des Bundestages.

Piratenpartei-Politiker Patrick Breyer sagte: „Wer Bürgern, die von den etablierten Parteien enttäuscht sind, keine andere Wahl lässt, treibt sie entweder in die Arme der AfD oder lässt sie insgesamt der Wahlurne den Rücken kehren.“ Beides schade der Demokratie und gefährde Europa. Kritiker der Sperrklausel weisen zudem darauf hin, dass sich die Abgeordneten kleiner Parteien sehr oft einer Fraktion anschließen, die in etwa ihre politischen Vorstellungen vertritt. Derzeit sind beispielsweise fünf der sieben deutschen Einzelmandatsträger Mitglied einer der großen EU-Parlamentsfraktionen.

Hinzu kommt, dass das Bundesverfassungsgericht zuletzt befunden hatte, dass es im Gegensatz zum Bundestag im EU-Parlament gar nicht so sehr auf stabile Mehrheitsverhältnisse ankomme. Deswegen gibt es derzeit nur eine Fünf-Prozent-Hürde bei den Bundestags-, nicht aber bei den Europawahlen.

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