Jungs Ehrenmal für getötete Soldaten bleibt umstritten
Berlin. Wenn man im Bild des "Überraschungsangriffs" bleibt, das ein Offizier für das Zustandekommen des Ehrenmals der Bundeswehr verwandte, dann stand der Verteidigungsminister gestern auf dem eroberten Hügel und setzte sein Siegesbanner. Mit der Grundsteinlegung für das Bauwerk hat Franz Josef Jung (CDU) in Rekordzeit Fakten geschaffen
Berlin. Wenn man im Bild des "Überraschungsangriffs" bleibt, das ein Offizier für das Zustandekommen des Ehrenmals der Bundeswehr verwandte, dann stand der Verteidigungsminister gestern auf dem eroberten Hügel und setzte sein Siegesbanner. Mit der Grundsteinlegung für das Bauwerk hat Franz Josef Jung (CDU) in Rekordzeit Fakten geschaffen. Ab nächsten Sommer wird der getöteten deutschen Soldaten im Zentrum der Hauptstadt gedacht - ohne dass die Öffentlichkeit darüber diskutiert hätte. Das Ehrenmal, eine 32 Meter lange und zehn Meter hohe Halle mit einem Raum der Stille, entsteht auf dem Grundstück des Verteidigungsministeriums. Deshalb und weil er die 3,9 Millionen Euro Kosten aus dem eigenen Etat aufbrachte, brauchte Jung für den Bau niemandes Zustimmung. Von der Straße aus ist der Bau frei zugänglich, das Denkmal also öffentlich. Die Entwürfe sichtete eine von Jung eingesetzte Kommission, die sein eigener Planungsstabschef leitete. Der räumte ein, dass die letzte Entscheidung für den Entwurf des Architekten Andreas Meck beim "Inhaber der Kommandogewalt" gelegen habe, also bei Jung. "Gutsherrenart" monierte die Linke, die der Grundsteinlegung fernblieb, auch aus grundsätzlichen Erwägungen. Das Ehrenmal diene nur der "Überhöhung kriegerischer Gewalt".
So weit geht Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) nicht. Er findet nur, sagte er auf Anfrage, dass Jung "eine Chance vertan" habe. Eine öffentliche Debatte nämlich hätte seiner Meinung nach "dem Anliegen gedient", über die Bundeswehr nachzudenken. Außerdem findet Thierse, wenn schon ein Denkmal, dann eines für alle Menschen, die bei der Wahrnehmung der internationalen Verantwortung Deutschlands ums Leben kamen. Also auch Polizisten, Diplomaten oder Entwicklungshelfer.
Auch FDP-Fraktionsvize Birgit Homburger findet den Ablauf "schade, sehr schade". Jung habe die positive Grundstimmung im Bundestag völlig ignoriert und alles allein entschieden. "Ein Denkmal in der Nähe des Reichstages wäre viel zentraler gewesen. Außerdem ist die Bundeswehr eine Parlamentsarmee", sagte Homburger. Genau solche Debatten um Standort und Aussage des Ehrenmals wollte Jung aber vermeiden, weil er ein Zerfasern befürchtete.
Freilich hat der Minister selbst die Zielsetzung seines Projektes im Lauf der Zeit verändert. Die Ur-Idee war, jener 76 Soldaten zu gedenken, die bisher bei Auslandseinsätzen ums Leben kamen. Was aber ist mit jenen in der Etappe, lautete bald intern die Frage. So wurde der Kreis ausgeweitet und umfasst nun alle Bundeswehrangehörigen, "die in Folge der Ausübung ihrer Dienstpflichten ihr Leben verloren". Und zwar seit 1955.
Nun wird es kompliziert
Nun wird es aber schon wieder kompliziert. Ob und in welchem Umfang Unfälle, Selbstmorde oder Radarschäden dazugehören, muss im Detail geprüft werden. "23000 Akten müssen wir wälzen", stöhnt einer der Beteiligten. Am Ende sollen schätzungsweise 2900 Namen per Lichtinstallation nacheinander im Raum der Stille auf eine symbolische (Grab)-Platte projiziert werden. Damit begründe die Bundeswehr, wie Jung bei seiner Ansprache sagte, "immer sichtbarer ihre eigenen demokratischen Traditionen". Der Inspekteur des Heeres, Generaloberst Hans-Otto Budde, findet das Ehrenmal als Verbindungsglied zwischen Bundeswehr und Öffentlichkeit sinnvoll. Ebenso wichtig aber sei es, eine klare Sprache zu sprechen und zum Beispiel von "gefallenen Soldaten" zu reden. Denn was die Bundeswehr bei ihren Einsätzen mache, das sei Kampf unter Einsatz des eigenen Lebens. Auch Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden, sieht das so. Demonstrativ war sie zur Grundsteinlegung gekommen. Das Ehrenmal sei ein "Schritt nach vorn, der längst überfällig war", meinte sie. Die Deutschen müssten sich zu ihrer demokratischen Armee bekennen.