Junge Deutsche fürchten sich vor Elternschaft

Wiesbaden. Obwohl die familienpolitischen Leistungen ausgebaut werden, schwindet in Deutschland die Lust aufs Kinderkriegen. Als Ursache für das anhaltend niedrige Geburtenniveau nennt das Wiesbadener Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BIB) vor allem die mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Wiesbaden. Obwohl die familienpolitischen Leistungen ausgebaut werden, schwindet in Deutschland die Lust aufs Kinderkriegen. Als Ursache für das anhaltend niedrige Geburtenniveau nennt das Wiesbadener Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BIB) vor allem die mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Nach einer gestern bekannt gewordenen Studie des Instituts glauben weniger als die Hälfte (45 Prozent) der kinderlosen Deutschen zwischen 18 und 45 Jahren, dass sie mit Kind glücklicher wären. Viele hielten die Elternschaft für eine erdrückende Pflicht, sagte Instituts-Chef Norbert Schneider.Auch die Bildung der Frauen spielt nach Angaben des BiB für die Familienplanung eine wichtige Rolle. Akademikerinnen verzichteten häufig auf Nachwuchs, weil sie Karriere und Kinder für unvereinbar halten. Hinzu komme eine fehlende gesellschaftliche Anerkennung für berufstätige Mütter, so die Autoren der Studie. Das Leitbild von der "guten Mutter", die mit ihren Kindern zu Hause bleibt, sei vor allem im Westen noch weit verbreitet. Wählten Frauen nicht diesen Weg, würden sie schnell als "Rabenmütter" bewertet.

Deutschland gehört seit Jahrzehnten weltweit zu den Ländern mit niedriger Geburtenrate. Derzeit liegt der Wert im Schnitt bei 1,39 pro Frau; europaweit liegt Island mit einer durchschnittlichen Kinderzahl von 2,20 vorn. In Ostdeutschland ist die Kinderlosigkeit, unter anderem wegen besserer Betreuungsangebote, insgesamt etwas geringer als im Westen.

"Wirtschaft muss mehr tun"

Das Bundesfamilienministerium rechtfertigte die eigene Politik: Kitas würden weiter ausgebaut, das Elterngeld werde nicht gekürzt, das Betreuungsgeld komme hinzu. Allerdings müsse die Wirtschaft mehr Engagement zeigen, sagte eine Sprecherin. "Mehr Betriebskindergärten, mehr Anerkennung von Teilzeitarbeit - das müssen die Unternehmen als Investition und nicht als Belastung wahrnehmen." SPD-Parteivize Manuela Schwesig erklärte dagegen, die Bundesregierung befördere "Unsicherheit und Ausbeutung am Arbeitsmarkt". Viele junge Menschen trauten sich nicht, Kinder zu bekommen, weil sie sich von einer befristeten Beschäftigung zur nächsten hangeln müssten. Dies wirke "stärker als die Pille". afp/kna/dpa

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