Jour de Colère – Tag des Zorns in Frankreich

Paris · Er hatte einen Wandel versprochen, doch bisher konnte Präsident Hollande Frankreich nicht aus der Krise führen. Der Unmut über seine Politik wächst – und bündelt sich an diesem Wochenende in einem Tag des Zorns.

Es soll ein "Jour de Colère", ein Tag des Zorns werden. Für den 26. Januar hat ein mysteriöses Organisatoren-Team im Internet und auf Plakaten zu einer Großdemonstration in Paris aufgerufen. Angesprochen fühlen sollen sich laut aktueller Webseite "all diejenigen, die mit der aktuellen Politik unzufrieden sind". Und das sind offenbar einige: In knapp drei Monaten hat das Kollektiv rund fünfzig Gruppierungen und mehr als 25 000 Anhänger geworben. Das Motto: "Die Franzosen haben die Schnauze voll, François Hollande hau ab!"

"Wir haben alle gute Gründe, zornig über diese Regierung zu sein, die das Volk nicht anhört, die Beitragszahler schröpft, unsere Bauern darben lässt, unsere Armee beerdigt, Delinquenten freien Lauf lässt, unsere Kinder orientierungslos macht (. . .) und unsere Familien zerstört", schreibt das Kollektiv in Internet. So verschieden die Motive, so bunt erscheint auch die Truppe, die sich am Sonntag am Pariser Bastille-Platz zusammenfinden will: Mit Gruppen, wie dem "Observatorium der Lüge", über "Lasst sie in Ruhe" bis hin zum "Kollektiv gegen die Windkraftindustrie" könnte es sich fast um ein Meeting von Globalisierungsgegnern handeln.

Doch finden sich unter den Unterstützern auch Vertreter der bretonischen "bonnets rouge", die seit Monaten gegen die Hochsteuerpolitik der Regierung mobilmachen, die ultrakonservative Katholiken-Gruppe "Civitas" sowie rechtsradikale Bewegungen wie der "Printemps français" (Französischer Frühling). Die beiden letzteren hatten sich bereits beim monatelangen Protest gegen die Homo-Ehe im vergangenen Jahr zusammengetan.

Glaubt man den Organisatoren, dann handelt es sich um eine "beispiellose Bürgerbewegung", Franzosen aller Couleur, die vor allem eines gemeinsam haben: ihre Ablehnung der Regierungspolitik von François Hollande. "Dieser Mann hat an der Spitze der Macht nichts mehr zu suchen", sagt eine Sprecherin des Kollektivs, die anonym bleiben will. Ziel sei, die Botschaft auszusenden, dass sich "die Franzosen nicht mehr alles gefallen lassen". Dazu sei man bereit, die Fronten zwischen links und rechts zu überschreiten und gemeinsam den Abgang des Präsidenten und "seiner Clique" zu fordern.

Eine ähnliche Forderung hatte kürzlich ein wütender Lkw-Fahrer gestellt. Er lenkte seinen Lastzug mit der Aufschrift "Raus mit Hollande und allen anderen Politikern" vor den Eingang der Pariser Nationalversammlung und kippte den Abgeordneten eine meterhohe Ladung stinkenden Mist vor die Tür. Der Mann wurde kurz darauf von der Polizei festgenommen, sorgte aber für erheblichen Medienwirbel.

Diese Aktionen und Bündnisse zeigen, wie verbreitet in Frankreich das Anti-Hollande-Sentiment inzwischen ist. In der Beliebtheitsskala rangiert der Präsident seit Monaten schon so tief, wie kein anderer französischer Staatschef vor ihm. Eine Mehrheit der Bürger zweifelt an demjenigen, der 2012 mit dem Wahlkampfspruch angetreten war: "Der Wandel erfolgt jetzt". Denn geändert hat sich kaum etwas. Von einer Belebung der Konjunktur ist nichts zu spüren. Die Arbeitslosigkeit verharrt auf dem Rekordstand von elf Prozent, obwohl Hollande die Kurve bis Ende Dezember umkehren wollte.

Viele Franzosen haben zudem das Gefühl, von Steuern und Abgaben erdrückt zu werden, weil die Regierung - im Kampf gegen Rezession und Haushaltsdefizit - bisher vorrangig an der Fiskalschraube gedreht hat. Mit einer Quote von über 46 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hat Frankreich in Europa inzwischen mit die höchste Steuer- und Abgabenlast. Erst vor zwei Wochen rückte Hollande von seinem Kurs ab: Er versprach umfassende Steuererleichterungen für Unternehmen und starke Kürzungen bei öffentlichen Ausgaben.

Die jüngste Wende aber kommt für die Organisatoren des "Jour de Colère" zu spät. Sie haben das Vertrauen in Hollande verloren, ebenso wie viele andere Franzosen. Und wenn die Bindungskraft traditioneller Parteien schwindet, haben Bewegungen wie diese leichtes Spiel, all die Unzufriedenen unter ihrem Banner zu versammeln - auch wenn die Banner in diesem Falle zahlreich und bunt sein werden.

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