"Jetzt geht alles den Bach runter"

Saarbrücken. Für Frank Schätzel aus Spiesen-Elversberg ist der 28. März 2011 der schwärzeste Tag in seinen 15 Jahren als Gastronom. Er spricht von einer "Katastrophe", einem "Fiasko", einem "Todesstoß"

Saarbrücken. Für Frank Schätzel aus Spiesen-Elversberg ist der 28. März 2011 der schwärzeste Tag in seinen 15 Jahren als Gastronom. Er spricht von einer "Katastrophe", einem "Fiasko", einem "Todesstoß". Er meint das Urteil des saarländischen Verfassungsgerichtshofs, nach dem ein Rauchverbot in Kneipen ohne jegliche Ausnahme rechtens ist und damit ab sofort gilt. "Jetzt geht alles den Bach runter", sagt Schätzel.Die große Uhr im Saal 38 des Landgerichts Saarbrücken zeigt 10.28 Uhr, als die letzte Stunde der verrauchten Kneipen im Saarland schlägt. Im Namen des Volkes verkündet der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Roland Rixecker, das folgenschwere Urteil, das einen Schlussstrich zieht unter eine jahrelange politische Hängepartie. Das Gericht weist die Verfassungsbeschwerden mehrerer Wirte gegen die Verschärfung des Nichtraucherschutzes durch die Jamaika-Koalition zurück. Nur jene Betriebe, die zwischen November 2007 und November 2009 einen Raucherraum eingerichtet haben, erhalten eine letzte Galgenfrist bis zum 1. Dezember. Danach sind auch dort glühende Zigaretten strengstens verboten.

Die, die sich zur Wehr gesetzt hatten gegen die umstrittenen Pläne des stimmenschwächsten Koalitionspartners Grüne, können es nicht fassen. Heino Ruth vom "Braddock" in Bildstock zum Beispiel: "Es ist eine Farce. Ich bin von diesem Staat absolut enttäuscht. Man wird seiner Existenz beraubt." Er fürchtet sich vor der Pleite, wenn die Raucher nicht mehr kommen. Denn er hat viel investiert in seinen Laden in den letzten Jahren, stolze 170 000 Euro. "Hätte ich gewusst, dass das Rauchverbot kommt, hätte ich das niemals gemacht."

Auch die Schätzels aus Spiesen-Elversberg haben viel Geld in die Hand genommen. 130 000 Euro haben Frank und seine Frau Gabriele in ihr Bistro "Bilou" gesteckt. Sie haben Theke, Bestuhlung und Toiletten erneuert und zudem eine Rauchabzugsanlage einbauen lassen - ausgehend von der damaligen Gesetzeslage. Die besagte 2008 unter der CDU-Alleinregierung zunächst, dass in inhabergeführten Kneipen geraucht werden darf. Als der Verfassungsgerichtshof diese Regelung jedoch beanstandete, war das Rauchen dann plötzlich wieder in Gaststätten mit einer Schankfläche von weniger als 75 Quadratmetern erlaubt, in denen neben Getränken lediglich "kalte oder einfach zubereitete warme Speisen" angeboten wurden.

Das ist seit gestern alles hinfällig, Vergangenheit. Und Gabriele Schätzel ist darüber richtig wütend: "Die Politiker interessiert nicht, was mit uns passiert. Die gehen zur Tagesordnung über." Ihr Mann Frank ergänzt: "Man hätte den Gastwirten, die investiert haben, mehrere Jahre Übergangszeit geben müssen, um ihre Ausgaben reinzuholen. Bis Dezember ist das nicht zu schaffen."

Auch der Gaststättenverband Dehoga befürchtet, dass im Saarland jetzt das große Kneipen-Sterben beginnt. Bis zu 1000 Arbeitsplätze stünden auf der Kippe. Grünen-Chef Hubert Ulrich, Vorkämpfer für das Rauchverbot, teilt die Bedenken nicht. "Das Verbot wird nicht dazu führen, dass es zu irgendwelchen Schließungen bei Gastronomen kommt. Wenn das so wäre, hätten wir bereits in diesem Winter in Bayern eine Schließungswelle erleben müssen." Er rechnet im Gegenteil damit, dass die Gastronomie in den nächsten ein, zwei Jahren profitieren wird.

Die Einhaltung des Rauchverbots zu überwachen, ist jetzt Sache der Ordnungsämter im Saarland. "Aber wir werden nicht gleich morgen damit anfangen, sondern am kommenden Wochenende oder vielleicht auch erst nächste Woche. Wir wollen den Wirten ein paar Tage Zeit geben, sich zu informieren und das Gesetz umzusetzen", sagt Bernd Bourgeois vom Ordnungsamt der Stadt Saarlouis. Beschwerden werde man aber sofort nachgehen. Und Bourgeois macht auch deutlich: "Wenn es Verstöße gibt, müssen wir durchgreifen." Auch Kajo Breuer, Leiter des Dezernats für Umwelt, Migration und Recht in Saarbrücken, sagt: "Es gibt eine eindeutige Gesetzeslage. Von Kulanz kann da keine Rede sein." Allerdings glaubt er nicht, dass massives Eingreifen durch die Ordnungshüter nötig sein wird. "Die meisten Gastwirte werden sich an das Gesetz halten", ist sich Breuer sicher.

Frank Schätzel hat erst einmal andere Probleme. Er hat bereits gestern erste schlechte Erfahrungen mit dem neuen Gesetz gemacht. "Zwei Gäste kamen rein und fragten, ob das mit dem absoluten Rauchverbot stimmt. Als ich ja sagte, sind sie gleich wieder gegangen - ohne etwas zu trinken", erzählt der Gastronom. Er glaubt, dass seine Stammkunden zwar weiterhin kommen werden, "aber sie werden nicht mehr so lange bleiben. Es ist ein Irrglaube, dass die Leute mal eben schnell vor die Tür gehen, um eine Zigarette zu rauchen. Viele sagen, sie treffen sich dann lieber privat, wenn sie in ihrer Kneipe nicht mehr rauchen dürfen." Schätzel rechnet damit, dass er das "Bilou" im kommenden Jahr schließen wird. Bis dahin muss er sich über Wasser halten, weil er noch Verträge mit Brauereien hat: "Wenn die nicht wären, würde ich noch heute zumachen. Das hat so doch keinen Sinn."

Hintergrund

Das ab sofort geltende Nichtraucherschutzgesetz sieht folgende Strafen vor: Wer als Gast weiter in einer Kneipe raucht, muss mit einer Geldbuße von bis zu 200 Euro rechnen. Wer als Wirt das Rauchen zulässt, dem drohen bis zu 1000 Euro Strafe, im Wiederholungsfall bis zu 2000 Euro. Wirte, die drei Mal eine entsprechende Ordnungswidrigkeit begehen, müssen damit rechnen, ihre Konzession zu verlieren. tho

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