Jeremy Corbyn Der Quertreiber von links

London · Labour-Chef Jeremy Corbyn spielt eine seltsame (und große) Rolle im Brexit-Drama.

  Jeremy Corbyn, langjähriger EU-Kritiker, führt die Labour-Partei, die offiziell gegen den EU-Austritt ist.

Jeremy Corbyn, langjähriger EU-Kritiker, führt die Labour-Partei, die offiziell gegen den EU-Austritt ist.

Foto: dpa/Danny Lawson

In der unendlichen Brexit-Story der Briten hat Jeremy Corbyn eine der widersprüchlichsten Rollen. Bereits Jahrzehnte bevor der einst notorisch querschießende Hinterbänkler an die Spitze der oppositionellen Labour-Partei rückte, war er als EU-Skeptiker bekannt. Der Londoner kritisierte den Staatenbund von links, unter anderem für seine Wirtschaftspolitik. Im September 2015, Monate vor der Bre­xit-Volksabstimmung, machte die Basis der britischen Sozialdemokraten Corbyn überraschend zum Kopf einer Partei, die ganz offiziell den Austritt aus der EU verhindern wollte. Ein Problem – bis heute.

Denn bis heute muss Corbyn sich – wie viele andere auch – vorwerfen lassen, er habe nicht leidenschaftlich genug für das Anti-Brexit-Lager gekämpft. Und bis heute ist das Spiel des 69-Jährigen nicht immer durchschaubar. Er dringt auf eine Neuwahl und versucht, die konservative Premierministerin Theresa May zu stürzen.

Und dann? Mit ihm als Premier werde es trotzdem einen Brexit geben, erklärte er, er werde aber neu verhandeln. Dafür gab es viel Kritik. Aus den eigenen Reihen gibt es Druck auf ihn, für ein zweites Referendum zu plädieren, einer neuen Umfrage zufolge will das eine klare Mehrheit der Labour-Wähler.

Dass der etwas kauzige Corbyn Labour-Chef wurde und gerade von jungen Anhängern als linke Erlösergestalt gefeiert wurde, erschütterte das Richtung Mitte orientierte Partei-Establishment nachhaltig. Politisch links sozialisiert wurde er in der Familie und arbeitete für Gewerkschaften, bevor er in den 1970ern in die Politik ging. Seit 1983 sitzt er im Unterhaus. Kritiker werfen dem Alt-Linken nicht nur eine fatale Rolle im Brexit-Drama vor, sondern auch eine einseitige Unterstützung der Palästinenser im Nahostkonflikt. Zudem werden seit Jahren gegen Corbyn und seine Partei Antisemitismus-Vorwürfe erhoben. Im August räumte Corbyn öffentlich ein, dass seine Partei ein Problem mit Antisemitismus habe. Wie es mit ihm und dem Brexit-Problem weitergehen wird, ist noch offen.

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