Je jünger und klüger, desto ungesünder
Berlin. "Lieber moppelig und fit als schlank und unfit" - so lautet das Motto von Ingo Froböse. Der Gesundheitsexperte von der Kölner Sporthochschule möchte die Deutschen zwar zu einer gesünderen Lebensweise bewegen, aber das richtige Gewicht sei nur die halbe Miete
Berlin. "Lieber moppelig und fit als schlank und unfit" - so lautet das Motto von Ingo Froböse. Der Gesundheitsexperte von der Kölner Sporthochschule möchte die Deutschen zwar zu einer gesünderen Lebensweise bewegen, aber das richtige Gewicht sei nur die halbe Miete. Gesunde Ernährung nutze wenig ohne regelmäßige körperliche Aktivität: "Essen und trimmen - beides muss stimmen", betont Froböse. Angesichts einer neuen wissenschaftlichen Studie, die er gestern in Berlin vorstellte, sieht der Forscher allerdings in beiden Bereichen erhebliche Defizite. Im Auftrag der Krankenversicherung DKV hatte die Sporthochschule 2500 Deutsche zu ihren Lebensgewohnheiten befragt, und das Ergebnis ist ernüchternd: Lediglich 13,9 Prozent der Bundesbürger leben rundum gesund. Nur jeder Siebte erfüllt also alle fünf Kriterien für eine gesunde Lebensweise: genug Bewegung, ausgewogene Ernährung, wenig Alkohol, keine Zigaretten und kein Stress.Das Saarland und Rheinland-Pfalz, die für die Studie zusammengefasst wurden, liegen in der Gesamtwertung auf dem vorletzten Platz. In den beiden Ländern leben nur 9,4 Prozent der Menschen rundum gesund. Spitzenreiter ist Mecklenburg-Vorpommern mit 19,8 Prozent, Schlusslicht Sachsen-Anhalt (7,9). Eine Erklärung für diese deutlichen Unterschiede nennen die Autoren in ihrer Untersuchung nicht. Saarländer und Rheinland-Pfälzer haben bundesweit den größten Stress. Beide Bundesländer weisen auch den höchsten Anteil von Menschen mit ungesundem Alkoholkonsum auf. Und ihre Bewohner sind Bewegungs-Muffel: Hier lassen sie nur Hamburg hinter sich. Für Froböse ist klar: "Es geht nicht um Verbote, sondern um Anreize für mehr Bewegung und ein gesünderes Leben." Angefangen bei der Stadt- und Raumplanung über die Sozial- und Verkehrspolitik bis hin zu Schulen und Kindergärten: "Wir müssen unsere Welt so gestalten, dass wir in ihr gesund leben können und wollen." Doch die Hälfte der Deutschen ernährt sich noch nicht einmal richtig. Sie isst zu wenig Obst, Gemüse und Fisch, dafür zu viel Fleisch und Süßigkeiten. Am besten schneiden bei der Ernährung noch die Thüringer ab, gefolgt von mehreren norddeutschen Ländern, wo öfter frischer Fisch auf den Tisch kommt. Schlusslichter in dieser Statistik sind die - wie Froböse sie nennt - "Currywurst-Länder" Nordrhein-Westfalen und Berlin. Allerdings weist der Forscher auch darauf hin, dass die Currywurst per se nicht ungesund sei - sie dürfe nur nicht jeden Tag gegessen werden. "Die Dosis macht das Gift." Auch bei der körperlichen Aktivität stellt die Studie den Deutschen kein gutes Zeugnis aus. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt, sich an fünf Tagen in der Woche wenigstens eine halbe Stunde zu bewegen. Das müsse noch nicht einmal intensiver Sport sein, sondern es könne auch reichen, den Weg zur Arbeit mit dem Rad zurückzulegen, erklärte Froböse. Doch viele erreichen noch nicht einmal diese Mindestkriterien. 37,2 Prozent der Befragten gaben an, dass sie niemals länger als zehn Minuten zu Fuß gehen oder mit dem Fahrrad fahren. Während der durchschnittliche Mecklenburger pro Woche immerhin fast anderthalb Stunden zu Fuß oder per Rad unterwegs ist, bringen es die Menschen in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gerade einmal auf insgesamt 45 Minuten. Dabei sterben nach WHO-Angaben in Europa jedes Jahr 600 000 Menschen als Folge von Bewegungsmangel. Jeder dritte Befragte würde sich mehr bewegen, wenn er 100 Euro Belohnung dafür bekäme, knapp die Hälfte, wenn sie weniger Krankenkassenbeitrag zahlen müsste, und zwei Drittel, wenn Freunde mitmachten. Dass viele Deutsche lieber ins Auto steigen, statt mit dem Rad zu fahren oder zu Fuß zu gehen, führt Froböse aber nicht nur auf Faulheit zurück, sondern auch auf die Verkehrssituation - vor allem in den Großstädten: "In Köln werde ich überfahren, wenn ich auf die Straße gehe." Deshalb gehören gut ausgebaute Radspuren, sichere Fußgängerwege und beleuchtete Joggingstrecken zu den umfangreichen Handlungsempfehlungen, die die Sporthochschule und die DKV präsentierten. Zu den Empfehlungen gehören aber auch gesunde Mahlzeiten und Kochkurse in Kindergärten und Schulen, denn bei der jungen Generation sehen die Forscher besonders großen Nachholbedarf. Zwei Drittel der Unter-30-Jährigen ernährten sich ungesund, sagte Froböse: Den meisten schmecke das Ungesunde einfach besser. "Wir müssen bei der Gesundheitsförderung stärker auf die Jugendlichen und jungen Erwachsenen blicken", erklärte Froböse. Erhalte es daher für unzumutbar, dass der Sportunterricht an den Schulen vernachlässigt werde, sagte Froböse.Eine andere Erkenntnis der Studie lautet: Je höher der Bildungsabschluss, desto ungesünder die Lebensweise. Während bei den Menschen mit Hauptschulabschluss 16,5 Prozent alle Gesundheitskriterien erfüllen, sind es bei Akademikern nur 14 Prozent. Zwar gilt: Je höher der Bildungsabschluss, desto weniger Qualm und Alkohol. Dafür bewegen sich Akademiker im Beruf aber deutlich weniger - der Weg vom Computer zur Kaffeemaschine ist einfach zu kurz. "Es geht nicht um Verbote, sondern um Anreize für ein gesünderes Leben."Prof. Ingo Froböse, Gesundheitsexperte der Kölner Sporthochschule