Ist der Gewaltverzicht nur die Ruhe vor dem Sturm?

Madrid. Das Video zeigt drei schwarz gekleidete Gestalten, die ihre Gesichter mit weißen Tüchern vermummt und ihre Köpfe mit Baskenmützen bedeckt haben. Eine in der Mitte sitzende Frau verliest eine Erklärung in baskischer Sprache, in der die Terrororganisation Eta bis auf Weiteres einen Gewaltverzicht verkündet

Madrid. Das Video zeigt drei schwarz gekleidete Gestalten, die ihre Gesichter mit weißen Tüchern vermummt und ihre Köpfe mit Baskenmützen bedeckt haben. Eine in der Mitte sitzende Frau verliest eine Erklärung in baskischer Sprache, in der die Terrororganisation Eta bis auf Weiteres einen Gewaltverzicht verkündet. Die Ankündigung der "Waffenruhe" durch die baskischen Separatisten löste in Spanien jedoch keinen Jubel aus. Die Regierung des sozialistischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero wie auch die konservative Opposition reagierten eher skeptisch. Der Gewaltverzicht blieb weit hinter dem zurück, was Madrid gefordert hatte, nämlich eine bedingungslose und definitive Aufgabe des bewaffneten Kampfes. Von einem Niederlegen der Waffen ist in der Erklärung nicht die Rede. "Die Eta hat schon vor Monaten entschieden, keine offensiven bewaffneten Aktionen vorzunehmen", heißt es in der Erklärung. Wie lange die "Waffenruhe" dauern soll, bleibt offen. "Nach allem, was wir von der Eta wissen, ist sie nicht bereit, den bewaffneten Kampf aufzugeben", hatte erst kürzlich der spanische Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba betont.Die spanischen Sicherheitskräfte argwöhnen, dass die Eta mit dem Gewaltverzicht nur Zeit gewinnen und ihre Schwächephase überwinden will. Die Organisation hat in den vergangenen drei Jahrzehnten schon elfmal eine "Waffenruhe" verkündet und diese Zeit häufig dazu genutzt, ihren Zusammenhalt neu zu stärken und sich aufzurüsten. Derzeit ist die Eta so sehr geschwächt wie seit langem nicht mehr. Ihre letzten Terroranschläge liegen über ein Jahr zurück. "Dass sie keine Attentate verübte, lag nicht daran, dass sie es nicht wollte, sondern dass sie es nicht konnte", sagte Rubalcaba.In den vergangenen vier Jahren nahm die Polizei 400 mutmaßliche Eta-Mitglieder fest. Im Lager der radikalen Separatisten gehen immer mehr Basken auf Distanz zur Eta, weil sie deren Kampf für sinnlos halten. Mehrere verurteilte Eta-Terroristen sagten sich in der Haft von der Organisation los. Dazu gehörte auch die einst gefürchtete Idoia López Riaño, genannt "La Tigresa" ("Die Tigerin"), die als die blutrünstigste Eta-Terroristin gegolten hatte und wegen 23 Morden zu 2000 Jahren Haft verurteilt worden war. Auch bei der verbotenen Separatistenpartei Batasuna (Einheit), dem politischen Arm der Eta, setzte sich in letzter Zeit die Überzeugung durch, dass der Terror für die eigenen Ziele kontraproduktiv ist. In vagen und gewundenen Formulierungen gingen die Parteiführer auf Distanz zur Strategie der Gewalt. Allerdings wagten sie es nicht, den Terror zu verurteilen oder gar mit der Eta zu brechen. Am vorigen Freitag forderte Batasuna die Eta zu einer "Waffenruhe" auf. Die spanische Regierung sieht in dem ungewöhnlichen Schachzug jedoch einen Trick, mit dem die Partei ihr Verbot rückgängig machen und ihre Teilnahme an den Kommunalwahlen im Frühjahr 2011 erreichen will. Meinung

Zweifelhafte Friedensliebe

Von SZ-Mitarbeiter Ralf Schulze Friedensbeteuerungen seitens der baskischen Terrorgruppe Eta gab es bereits viele, wahren Friedenwillen hingegen nicht. Auch die jüngste Erklärung der letzten westeuropäischen Terrorbande muss wohl eher als taktische Waffenruhe eingeschätzt werden, mit der die Terroristen sich selbst möglicherweise nur eine Atempause zur Aufrüstung oder Nachwuchsrekrutierung verschaffen wollen. Der Zeitpunkt der neuen Friedensliebe ist wohl nicht zufällig gewählt: Die Eta ist geschwächt wie noch nie. Dutzende Top-Terroristen wurden in den letzten Monaten gefasst, Waffen- und Sprengstoffdepots ausgehoben. Das heißt freilich nicht, dass die Eta ihre Ziele für einen eigenen Baskenstaat aufgegeben hätte. Europa sollte sich keine zu großen Hoffnungen auf ein Ende des Baskenkonfliktes machen.

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