Irans Präsident hetzt Europa aus dem SaalProvokateur aus Leidenschaft hält den Holocaust für ein "Märchen"

Brüssel. Es war der befürchtete Eklat am ersten Tag der UN-Konferenz gegen Rassismus. Als Mahmud Ahmadinedschad Israel gestern in Genf "barbarischen Rassismus" vorwirft, verlassen die EU-Vertreter den Saal. Deutschland hatte seine Teilnahme schon am Sonntagabend abgesagt und war damit dem Beispiel von Ländern wie den USA, Israel, Kanada und Italien gefolgt

Brüssel. Es war der befürchtete Eklat am ersten Tag der UN-Konferenz gegen Rassismus. Als Mahmud Ahmadinedschad Israel gestern in Genf "barbarischen Rassismus" vorwirft, verlassen die EU-Vertreter den Saal. Deutschland hatte seine Teilnahme schon am Sonntagabend abgesagt und war damit dem Beispiel von Ländern wie den USA, Israel, Kanada und Italien gefolgt. Die Bundesregierung warnte schon zu Konferenzbeginn, das Treffen könne "für Hass-Tiraden, Schmähreden und antiisraelische Ausfälle" missbraucht werden. Genau dies bewahrheitet sich nun. Schon vor dem Auftritt Ahmadinedschads kippt die Stimmung. UN-Vertreter müssen mehrere als Clowns verkleidete Demonstranten des Saales verweisen, die "Rassist, Rassist" rufen. Als Ahmadinedschad dann zur Schmährede gegen Israel und den Westen ansetzt, verlassen die europäischen Vertreter den Saal. "Sie haben Migranten aus Europa und den Vereinigten Staaten geschickt, um eine rassistische Regierung im besetzten Palästina einzusetzen", behauptet der Iraner. Die Weltgemeinschaft müsse "diesen barbarischen Rassismus ausmerzen", fordert er. Frankreich hatte zuvor mit einem Auszug der EU-Vertreter gedroht. Leere Stühle kennzeichnen schon zu Beginn die UN-Konferenz, die nach ihrer unrühmlichen Vorgängerveranstaltung im südafrikanischen Durban 2001 "Durban II" heißt. Seinerzeit - wenige Tage vor den Terroranschlägen vom 11. September - verließen die USA und Israel die Veranstaltung nach schweren Vorwürfen Syriens und der Palästinenser. Die damals noch 15 EU-Staaten nahmen bis zum Ende teil und gaben einer symbolischen Erklärung gegen die Sklaverei Rückendeckung. Der Bundesregierung war die Absage nach den Worten von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nicht leicht gefallen. Es war ein hoch symbolischer Schritt: Erstmals nimmt Deutschland nicht an einer UN-Konferenz teil. Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) weiß sich Steinmeier dabei auf einer Linie. Nicht jedoch mit der Mehrheit der EU-Staaten. Neben Frankreich und Großbritannien haben nach Angaben der Brüsseler Kommission insgesamt 23 der 27 EU-Länder Vertreter zu der Konferenz entsandt. Nur Deutschland, Italien, die Niederlande und Polen nehmen nicht teil. Und das, obwohl sich die Bundesregierung seit gut einem Monat um eine einheitliche EU-Linie bemüht. An der Haltung der Europäischen Union hagelt es deshalb Kritik. Der Zentralrat der Juden begrüßte zwar das Fernbleiben der Bundesregierung und geißelte die Konferenz als "verlogene Propaganda-Show für fanatische Israel-Hasser". Zentralrats-Vizepräsident Dieter Graumann nennt es aber "eine Schande", dass Europa sich so uneinig zeigt. "Die EU gibt ein schlechtes Bild ab", kritisiert auch der Europaparlamentarier und Außenpolitik-Experte Elmar Brok. Nach Ansicht von Brok wäre es besser gewesen, alle Mitgliedstaaten wären der Konferenz ferngeblieben. Der CDU-Politiker sieht einen Mangel an außenpolitischer Koordination, seit die tschechische Regierung mitten in ihrem EU-Vorsitz im März stürzte. Nun überschatten erneut Antisemitismus-Vorwürfe die Konferenz. Israel sieht sich zudem durch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon brüskiert. Er empfing Ahmadinedschad am Rande der Konferenz - ausgerechnet an dem Tag, an dem Israel der sechs Millionen Holocaust-Opfer gedenkt. Teheran. Für Provokationen ist Mahmud Ahmadinedschad (52) immer gut. Seit seiner Wahl im Jahr 2005 hat der iranische Präsident den Westen stets herausgefordert - und sein Land damit immer stärker isoliert. Er ignorierte nicht nur alle Aufrufe der Weltgemeinschaft, das Atomprogramm einzustellen, er sorgt darüber hinaus mit seinen Hass-Tiraden gegen Israel international für Empörung. Ahmadinedschad prophezeite mehrfach den Kollaps des jüdischen Staates. Das "zionistische Regime" stehe für Rassismus und Terrorismus und plündere wehrlose Völker. Daher unterstellt er auch dem Westen eine Mitschuld an der israelischen Politik im Nahen Osten. Ferner bezweifelte er die historischen Dimensionen des Holocaust, bezeichnete den millionenfachen Mord sogar als "Märchen". Obwohl als radikal eingeschätzt, war Ahmadinedschad der erste iranische Präsident, der den Dialog mit dem Erzfeind USA gesucht hat. Ex-Präsident George W. Bush hatte er zweimal zu einer öffentlichen Debatte eingeladen und ihm ein persönliches Schreiben zugeschickt, was beides von Bush ignoriert wurde. Nachfolger Barack Obama erhielt von Ahmadinedschad ein Gratulationsschreiben zum Wahlsieg. Der 1956 in Garmsar geborene Vater zweier Söhne und einer Tochter zählt im Iran zu den führenden Vertretern einer harten Linie und hat dabei die Unterstützung der Revolutionsgarden sicher. Dennoch wird er es am 12. Juni schwer haben, für weitere vier Jahre gewählt zu werden. Vor allem im Bereich Wirtschaft hat er nach Ansicht von Beobachtern versagt. dpa "Das ist das Gegenteil dessen, was diese Konferenz erreichen will." UN-Generalsekretär Ban Ki Moon

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