Inszenierung der Mächtigen

Das Reich der Mitte rückt in den Mittelpunkt der Welt. Die spektakuläre Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele heute in Peking soll mehrere tausend Jahre chinesische Kultur in dreieinhalb Stunden bündeln. Mit der bisher größten Selbstdarstellung in seiner Geschichte will sich das häufig missverstandene China selbst erklären und seinen Platz in der Welt definieren

Das Reich der Mitte rückt in den Mittelpunkt der Welt. Die spektakuläre Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele heute in Peking soll mehrere tausend Jahre chinesische Kultur in dreieinhalb Stunden bündeln. Mit der bisher größten Selbstdarstellung in seiner Geschichte will sich das häufig missverstandene China selbst erklären und seinen Platz in der Welt definieren. Einige Milliarden Menschen weltweit werden an den Fernsehern die gigantische Show in dem "Vogelnest" genannten ungewöhnlichen Nationalstadion verfolgen. Mehr als 80 Staats- und Regierungschefs, gekrönte Häupter, Öl-Scheichs und Prinzen nehmen teil. Nie zuvor hat sich soviel Politprominenz zu Olympischen Spielen versammelt.

"Olympia gibt der Welt eine Chance, zusammenzukommen", sagt Cai Guoqiang, berühmter chinesischer Künstler und oberster Feuerwerker der Zeremonie. "Es ist die größte Party der Welt." Da die Zahl "8" den Chinesen Glück und Reichtum verheißt, beginnt die Olympia-Premiere am 8.8.2008 um 8.08 Uhr.

Bis zur letzten Minute werden die Details als Staatsgeheimnis behandelt. Aber einiges sickert doch durch: So werden Trommler, eine riesige chinesische Schriftrolle, Tänzer, Terrakotta-Soldaten, Kungfu-Kämpfer, Akrobaten und legendäre chinesische Figuren erscheinen. Mit blauem Licht werden riesige Wale wie lebensecht unter Wasser schwimmend an die Stadiondecke projiziert, während eine blau-grüne Erdkugel im Zentrum des 91000 Zuschauer zählenden Stadions illuminiert wird.

Der berühmte chinesische Regisseur Zhang Yimou ("Rote Laterne", "House of Flying Daggers") hat drei Jahre an der Inszenierung gearbeitet. Die Schau soll nicht weniger als "die Essenz der reichen Kultur Chinas, sein Konzept und seine Vision der Welt demonstrieren", wie Staatsmedien berichten. Die Musik kombiniert chinesische und westliche Elemente, Klassik und Pop - am besten illustriert durch das Duo aus der britischen Sängerin Sarah Brightman ("Time To Say Goodbye") und dem chinesischen Pop-Idol Liu Huan, die gemeinsam die noch unbekannte Hymne der Pekinger Spiele singen werden.

Als einziger Deutscher wirkt der Düsseldorfer Multimediakünstler Andree Verleger mit. Er verrät kein Wort, doch gaben chinesische Quellen bekannt, dass der Spezialist visuelle, interaktive Effekte zwischen Schattenboxer zaubern wird - auch Wind, Wolken und Wasser.

Die olympische Unbeschwertheit wird für einen Moment der Trauer weichen müssen, wenn bei der Feier der Opfer der Erdbebenkatastrophe in der Provinz Sichuan gedacht wird, bei der im Mai wahrscheinlich mehr als 80000 Menschen ums Leben gekommen sind. Zwar wehrte sich Chinas kommunistische Führung immer gegen eine "Politisierung" der Spiele, doch geht es ihr eigentlich darum, dass China mit Olympia endlich seinen gebührenden Platz in der Welt einnehmen kann.

Die großen Politiker der Welt erweisen den Mächtigen von Zhongnanhai die Ehre. Als erster US-Präsident nimmt George W. Bush an einer Olympia-Eröffnung außerhalb der USA teil. Zwar verteilte er vorher noch Menschenrechtsschelte, doch zielte diese sowohl auf China als auch auf das heimische Publikum. Auch Russlands höchster Polit-Judoka, Regierungschef Wladimir Putin, ist zu Olympia dabei.

Vor seinem Flug nach Peking verlieh Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy den Chinesen noch schnell eine "Goldmedaille" für die Vorbereitungen. Er versprach auch, nicht wie vermutet den Dalai Lama bei dessen Visite in Frankreich diesen Monat zu treffen. Doch hoffen die 11128 Athleten, dass nach der Eröffnung endlich der Sport in den Mittelpunkt rückt und politische Kontroversen über Menschenrechte, Tibet oder die Meinungsfreiheit in den Hintergrund drängt. Cai Guoqiang ist optimistisch: "Meiner Meinung nach wird Olympia einen positiven Effekt auf China haben", sagt der in New York lebende Künstler.

"Olympia ist kein Allheilmittel. Olympia kann nicht alle Probleme Chinas Lösen, es kann auch nicht alle Probleme zwischen China und der Welt lösen", warnt er vor überzogenen Erwartungen. "Aber es kann den Dialog zwischen China und der Welt voranbringen."

Sein gigantisches Feuerwerk, das Himmel und Erde verbinden wird, ist der Höhepunkt des Spektakels. Der Explosionskünstler wird nicht nur die fünf olympischen Ringe an den Himmel zaubern, sondern auch 2008 lachende Gesichter. In einem Countdown wandert das Feuerwerk von einem alten Stadttor im Süden quer durch die Stadt zum "Vogelnest", das sich zu einem riesigen Kessel für das olympische Feuer verwandeln wird.

"Es ist das größte Kunstwerk, das ich jemals geschaffen habe."

"Es ist das größte Kunstwerk,

das ich je geschaffen habe."

Ober-Feuerwerker

Cai Guoqiang

Hintergrund

Mehr als 80 Staats- und Regierungschefs werden zur Eröffnung der Sommerspiele erwartet - so viele wie nie zuvor in der olympischen Geschichte. Außer US-Präsident George W. Bush standen auch der russische Regierungschef Wladimir Putin, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und Japans Ministerpräsident Yasuo Fukuda auf der Gästeliste. Unter anderen trafen gestern schon Israels Staatsoberhaupt Schimon Peres oder die Präsidenten aus Vietnam, Sri Lanka, Brasilien, Weißrussland, Serbien, Montenegro und Laos ein. Aus Deutschland wird Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), der in Berlin auch für Sport zuständig ist, in der zweiten Woche nach Peking reisen. An der Eröffnungsfeier nimmt er wie Kanzlerin Angela Merkel nicht teil.

 Bei den Olympischen Spielen will sich China als Großmacht im Geiste Mao Tse-tungs präsentieren. Foto: dpa

Bei den Olympischen Spielen will sich China als Großmacht im Geiste Mao Tse-tungs präsentieren. Foto: dpa

 Bei den Olympischen Spielen will sich China als Großmacht im Geiste Mao Tse-tungs präsentieren. Foto: dpa

Bei den Olympischen Spielen will sich China als Großmacht im Geiste Mao Tse-tungs präsentieren. Foto: dpa

Der Auftrieb der Politprominenz aus aller Welt hat den bisher größten Sicherheitseinsatz in der Hauptstadt ausgelöst. dpa

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