In China werden immer mehr behinderte Kinder weggegeben

Peking · In China gibt es bislang nur wenige Babyklappen, die aber werden intensiv genutzt. Immer mehr Eltern legen dort ihre oft schwer behinderten Kinder ab, weil sie sich die Pflege nicht mehr leisten können.

Der Mann hat sich auf einen Bordstein gesetzt, hat die Arme um die Decke auf seinem Schoß gelegt. Dünne nackte Beinchen schauen hervor, ein Bündel Mensch. Es ist sein Kind, das in wenigen Minuten dem Staat gehören wird. Von dem Mann verstoßen und abgelegt in einer Babyklappe irgendwo in China, weil es krank ist. Er selbst kann für das Kind nicht sorgen. Es sind Szenen des Abschieds, die letzte Umarmung, der letzte Kuss. Bilder einer grausamen Liebe und Zeugnisse eines unzureichenden Wohlfahrtssystems in China.

Die in Hongkong erscheinende Zeitung "South China Morning Post" hatte sie veröffentlicht, nachdem eine Babyklappe im südchinesischen Guangzhou nach nur zwei Monaten ihre Türen wieder geschlossen hatte. Zu voll war die Einrichtung geworden, jeden Tag wurden durchschnittlich fünf Kinder abgelegt. 262 waren es am Ende, alle behindert. 20 Kinder starben. Seitdem will niemand in den sogenannten Babyinseln Fragen beantworten. 25 Babyklappen in zehn Provinzen gibt es mittlerweile in China. In diesem Jahr soll auch in Peking eine entstehen. Die Befürworter sehen darin die Rettung von ungewollten und behinderten Kindern, egal, wie alt sie sind. "Den Eltern bleibt oft nichts anderes übrig, als ihren Nachwuchs in solche Einrichtungen zu bringen. Sie haben all die Jahre so viel für das kranke Kind getan, so viel Geld ausgegeben, keine Hilfe bekommen." Wang Zhenyao war jahrelang im Familienministerium tätig. Er wollte kein Apparatschik mehr sein und leitet heute das Philan thropische Forschungsinstitut an der Normal University in Peking . Hier versucht er, Familien, Heime und Behörden zusammenzubringen. Mehr als 83 Millionen behinderte Menschen soll es in China geben. Fast eine Million Kinder jährlich kommen bereits behindert zur Welt.

Dreiviertel aller Menschen mit Behinderung leben auf dem Land, mit nur rudimentärer Krankenversorgung, Fachkräfte für die teure Betreuung fehlen meist. Auch in den Metropolen muss eine Familie hohe Einkommenseinbußen hinnehmen, um ein Kind pflegen zu können.

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