„Im Saarland war es immer spannend“

Saarbrücken · Was Grünen-Fraktionschef Hofreiter über die Krise der Grünen denkt.

Der Bayer Anton Hofreiter ist seit Herbst 2013 neben Katrin Göring-Eckardt der Chef der grünen Bundestagsfraktion. Foto: Robby lorenz

Der Bayer Anton Hofreiter ist seit Herbst 2013 neben Katrin Göring-Eckardt der Chef der grünen Bundestagsfraktion. Foto: Robby lorenz

Foto: Robby lorenz

Das Verhältnis vieler Journalisten zu den Grünen ähnelte lange Zeit dem des gemeinen Fußball-Fans zu Franz Beckenbauer: Es musste schon ganz, ganz schlimm kommen, bevor man mal was Kritisches zu denken begann. Das hat sich kolossal geändert. Beckenbauer ist längst die Lichtgestalt a.D., und über die Grünen wird kaum noch was Nettes geschrieben. Erst am Wochenende druckte eine große Sonntagszeitung unter der Überschrift "Grün war die Hoffnung" einen Verriss, der Züge einer Grabrede hatte. Die jüngsten Umfragen sehen die Partei zwischen sechs und sieben Prozent. Warum sind die Grünen gerade so unfassbar out?

Anton Hofreiter, bärtiger, langhaariger Fraktionschef im Bundestag, sieht das nicht so dramatisch. "Die Stimmung verändert sich schnell", sagt er beim Besuch in der SZ-Redaktion und verweist auf Frau Merkel. Vor Monaten sei sie noch "die beliebteste Kanzlerin aller Zeiten gewesen", jetzt sei offen, wer ab Herbst im Kanzleramt sitzt.

Klar, Umfragen sind nur Momentaufnahmen, aber der grüne Absturz der letzten Monate ist dann doch besonders. Und das Superwahljahr 2017 könnte bislang kaum schlechter laufen. Erst die Prügel für Parteichefin Simone Peter nach ihrer Kritik am Polizei-Einsatz in der Kölner Silvesternacht. Dann die wenig Aufbruch symbolisierende Spitzenkandidaten-Wahl von Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt, schließlich Martin Schulz. Wenigstens dem neuen SPD-Heiland kann Hofreiter, etwas überraschend, auch sehr positive Seiten abgewinnen. "Plötzlich ist die Bundestagswahl wieder spannend", sagt der 47-jährige Ur-Bayer. "Es schadet der Demokratie enorm, wenn die Leute das Gefühl bekommen, dass ein Politikwechsel unmöglich ist." Schulz' Erfolgsgeheimnis? "Er ist bekannt und wirkt trotzdem neu. Das ist eine ganz ungewöhnliche Kombination. Dazu kommt, dass die CSU Frau Merkel lange mit Schmutz beworfen hat, das wirkt sich dann irgendwann auf ihr Ansehen aus."

Und das Ansehen der Grünen, wird das je wieder besser? Der Biologe Hofreiter, dessen Doktorarbeit von Liliengewächsen in Südamerika handelt, antwortet oft tatsächlich wie ein Wissenschaftler. Er ist kein begnadeter Redner, der die Massen mitreißen kann. "Grüne Politik knüpft an die Herausforderungen unserer Zeit an", sagt er zum Beispiel, oder: "Unsere Themen sind nach wie vor topaktuell. Denn wir haben heute noch ein weitaus größeres Problem als Waldsterben oder Atomkraft: Wir sind dabei, über die Klimakrise die Stabilität unserer Ökosysteme zu gefährden."

Wie es aussehe, so erzählt es Hofreiter und malt ein schwarzes Zukunftsbild, hätten sich die Klimaforscher geirrt: "Aber nicht zu unseren Gunsten, wie Herr Trump oder andere Wirrköpfe meinen, sondern zu unseren Ungunsten: Es deutet darauf hin, dass wir noch schneller noch mehr tun müssen." Daher sei es eine "gigantische Aufgabe", die Gesellschaft so umzubauen, dass sie ohne fossile Energien funktioniere. "Mit einem steigenden Meeresspiegel können Sie nicht verhandeln. Wir müssen jetzt handeln. Wir sind die erste Generation, die die Auswirkungen der Klimazerstörung konkret spüren, und die letzte, die die Klimazerstörung noch stoppen kann."

Hofreiter ist überzeugt, dass die grünen Themen beim Wähler ankommen - vom Ausstieg aus der industriellen Massentierhaltung über moderne Mobilität, den Umstieg auf erneuerbare Energien, den Kampf gegen Rechts bis hin zur Verteidigung der europäischen Idee. Ohne Grüne, sagt Hofreiter, gäbe es in den Parlamenten "nicht so eine kräftige, lebendige Stimme für eine emanzipatorische Modernität, sondern bloß spießige Verschnarchtheit zwischen Linkspartei und Union". Gerade mit der CDU hat Hofreiter so seine Probleme, Beispiel Windkraft: "Ich finde es interessant, dass sich Frau Kramp-Karrenbauer kurz vor der Wahl plötzlich von ihrer eigenen Politik distanziert. Aber dass die CDU in der Lage ist, auch die besten Themen zu versenken, hat sie ja schon häufiger bewiesen."

Ob die Wähler das auch so sehen? "Im Saarland war es für die Grünen schon immer spannend", sagt Hofreiter, der sicher ist, dass es am Ende reicht für den Wiedereinzug in den Landtag. Eine rot-rote Regierung und eine Opposition aus CDU und AfD wäre für ihn der Horror: "Das wäre eine grauenhafte Vorstellung." Simone Peter hält Hofreiter für eine "große Unterstützung" im Wahlkampf: "Sie ist im Saarland noch als sehr erfolgreiche Ministerin in Erinnerung."

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