Im Rekordtempo aus der Krise

Berlin. Sogar nüchterne Volkswirtschaftler geraten bei solchen Zahlen ins Schwärmen: "Deutsches BIP - ein Sommermärchen", überschrieb die Commerzbank am Freitag ihre Einschätzung zum Wirtschaftswachstum. 2,2 Prozent legte die Wirtschaft in einem Quartal zu, solche Zahlen wurden in den vergangenen Jahren eher aus China oder Indien gemeldet

 Grafik: Robby Lorenz

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Berlin. Sogar nüchterne Volkswirtschaftler geraten bei solchen Zahlen ins Schwärmen: "Deutsches BIP - ein Sommermärchen", überschrieb die Commerzbank am Freitag ihre Einschätzung zum Wirtschaftswachstum. 2,2 Prozent legte die Wirtschaft in einem Quartal zu, solche Zahlen wurden in den vergangenen Jahren eher aus China oder Indien gemeldet. Die schwerste Krise der deutschen Wirtschaft seit dem Zweiten Weltkrieg ist nicht einmal ein Jahr her, scheint aber schon vergessen. Doch Experten warnen: Das zweite Quartal war ein Glücksfall, so rasant wird es nicht weitergehen. Doch zunächst einmal sind die Zahlen erstaunlich. Die gesamtdeutsche Wirtschaft wuchs im zweiten Quartal so stark wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Viele Volkswirte rechnen für das Gesamtjahr mit einem Wachstum von 3,25 Prozent - auch das wäre ein neuer Rekord seit 1990. "Von einem Wachstumswunder kann man nicht sprechen. Aber wir erleben derzeit einen Aufschwung XL", erklärt Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). Ein Blick auf die anderen EU-Staaten lässt noch mehr staunen: Dort wächst die Wirtschaft derzeit deutlich weniger als ein Prozent. Für das gesamte Jahr 2010 rechnet etwa die Commerzbank in den anderen Euro-Ländern nur mit einem Plus von 0,8 Prozent. Allein Deutschland wird das Eurozonen-Wachstum demnach im laufenden Jahr auf 1,5 Prozent fast verdoppeln. Ein genauer Blick auf das Quartal aber relativiert manches. "Im zweiten Quartal kamen viele positive Effekte zusammen, die sich so nicht wiederholen werden", sagt Konjunktur-Experte Stefan Schneider von der Deutschen Bank. So war der Winter lang und hart, im Frühlingsquartal wurde am Bau alles nachgeholt. Außerdem war der vorherige Konjunktur-Absturz in Deutschland sehr tief, weshalb die Wachstumsraten nun sehr groß sind. "Wir haben überproportional gelitten, jetzt profitieren wir auch überproportional", sagt Schneider. Die deutsche Wirtschaft ist so stark vom Export abhängig, dass sie 2009, als der Welthandel einbrach, ungebremst um fast fünf Prozent nach unten rauschte. Doch nicht nur der Export boomt wieder, laut Statistikamt geben die seit langem sehr sparsamen Deutschen wieder mehr Geld für den Konsum aus. "Nach dem Auslaufen der Abwrackprämie war der private Konsum vergangenes Jahr eingebrochen", erläutert Alexander Koch von Unicredit. "Jetzt wächst der Konsum wieder, auch weil die Deutschen seit dem Frühjahr wieder mehr Autos kaufen." Auch Wirtschaftsvertreter mahnen zur Nüchternheit. "Das rasche Erholungstempo ist nicht zu halten", warnt Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Bisher seien kaum mehr als die Hälfte der Krisenverluste aufgeholt. "Wir müssen jetzt weiter arbeiten, statt uns gegenseitig auf die Schulter zu klopfen." Analysten warnen zudem, dass das Arbeiten allein nicht ausreichen könnte, um den Boom fortzusetzen. "Unsere Exporte sind einfach stark von der Entwicklung in China oder den USA abhängig", sagt Deutsche-Bank-Analyst Schneider. "Da wird es zum Jahreswechsel hin eine deutliche Verlangsamung geben." So deuteten die jüngsten Zahlen aus den USA und China darauf hin, dass das Wachstum sich dort abschwäche. Doch der Aufschwung werde kein reines Strohfeuer sein. So rechnen Schneider und andere Konjunkturexperten auch für das kommende Jahr noch mit einem Wachstum von etwa 1,5 Prozent. "Das Wachstum ist solide", sagt Schneider. "Von einem Wachstumswunder kann man nicht sprechen. Aber wir erleben derzeit einen Aufschwung XL."BundeswirtschaftsministerRainer Brüderle (FDP)

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