Im Koalitions-Wettlauf um den Titel des "besten Autokanzlers"

Berlin. Die Abwrackprämie läuft wie geschmiert. Und weil man einen solchen Renner nicht stoppen sollte, haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) entschieden, dass nicht schon bei 600 000 Anträgen Schluss sein soll

Berlin. Die Abwrackprämie läuft wie geschmiert. Und weil man einen solchen Renner nicht stoppen sollte, haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) entschieden, dass nicht schon bei 600 000 Anträgen Schluss sein soll. Auch wenn die grundsätzliche Einigung überraschend kam: Der Druck auf die Koalition, mehr als die beschlossenen 1,5 Milliarden Euro für den Staatszuschuss bereitzustellen, nahm täglich zu. Union und SPD geben derzeit ein Bild der Zerrissenheit ab. Da kam es gerade recht, das Erfolgsinstrument aus dem Konjunkturpaket II aufzustocken. Schließlich gerät die Autoindustrie immer stärker ins Trudeln, auch die Verbraucher bekommen zunehmend die Krise zu spüren. Für nächste Woche wird ein neuer Ansturm auf die Prämie erwartet. Seit Wochen scheint ein Koalitions-Wettlauf ausgebrochen zu sein um den Titel des "besten Autokanzlers" in der Tradition von Gerhard Schröder. SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier hatte die Abwrackprämie von 2500 Euro für die Verschrottung eines alten und den Kauf eines neuen Fahrzeugs im Januar vor der Koalitionsrunde vorgeschlagen. Die Union war zunächst skeptisch, willigte dann aber doch ein. Nun macht Merkel-Herausforderer Steinmeier auch Opel Hoffnung auf Milliarden-Staatshilfen. Erst am Dienstag - sechs Monate vor der Bundestagswahl - bekräftigte er bei einem VW-Besuch: "Opel darf nicht sterben." Und nicht nur das: Er verlangte auch, die Abwrackprämie aufzustocken. Das hilft auch Opel, der Wahlkampf wird so mit Steuerzahler-Geld für einzelne Branchen angeheizt. CDU-Kanzlerin Merkel wollte die frohe Botschaft dem Vernehmen nach beim Besuch der Opel-Zentrale in Rüsselsheim am kommenden Dienstag verkünden. Nun ist es schon vorher raus. In Teilen der Union wird - mit Blick auf den Wettlauf um gute Nachrichten gegen die Krise - spitz angemerkt, die Kanzlerin hätte den Prämien-Nachschlag auch schon beim Interview mit Anne Will am vergangenen Sonntag unters Wahlvolk bringen können. Jetzt soll es die Prämie weiter bis längstens Ende 2009 geben. Um wie viel der Topf aufgefüllt wird, ist offen. Im Gespräch ist eine Milliarde Euro. Auch wo das Geld herkommen soll, ist bisher völlig unklar. Mancher Unionspolitiker ist ohnehin alles andere als erfreut. CDU-Mittelstandspolitiker Michael Fuchs warnt, dass andere Branchen mit Forderungen nach Staatshilfen folgen könnten, etwa nach einer Abwrackprämie auch für Heizkessel. Der Unions-Haushaltspolitiker Steffen Kampeter (CDU) meint, wenn es schon größere Beträge im Bundeshaushalt geben sollte, dann sollten sie lieber für allgemeine Steuersenkungen genutzt werden als für "sektorale Subventionen": "Aber große Haushaltsmöglichkeiten habe ich bisher nicht entdeckt." Auch Gebrauchtwagenhändler dürften sich über die Aufstockung der Mittel kaum freuen. Die Koalition muss sich den Vorwurf gefallen lassen, es handele sich um eine Branchensubvention. Es gebe auch außerhalb der Autoindustrie Beschäftigte, die von der Krise betroffen seien, meinen Kritiker in der Koalition. Die FDP-Fraktion spricht ohnehin von einem Wahlgeschenk auf Kosten der Steuerzahler. Die Prämie haben Autohersteller bereits in ihre Werbung eingebaut. Nicht nur das: Etliche andere Branchen ziehen nach, wie die Hersteller von Elektroartikeln. Die Einigung über die Prämie sollte aber nicht über die gereizte Koalitions-Stimmung hinwegtäuschen. SPD-Chef Franz Müntefering warf Merkel noch gestern vor, sie habe Absprachen gebrochen. "So geht das nicht, Frau Merkel", befand Müntefering - und wünschte sich Ex-"Autokanzler" Schröder zurück.

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