IG-Metall-Chef Hofmann: Lernen als Chance begreifen

Die Digitalisierung in Betrieben gelingt nur, wenn auch Arbeitnehmer und Gewerkschaften einbezogen werden, sagt IG-Metall-Chef Jörg Hofmann. Er sprach mit SZ-Redakteur Thomas Sponticcia.

Führt die Digitalisierung zum Abbau von Arbeitsplätzen?

Hofmann: Nicht automatisch. Ja, die Digitalisierung wirkt als Rationalisierungstechnologie. Auf der anderen Seite besteht die Chance, dass neue Beschäftigung entsteht. Hunderttausende müssen sich beruflich neu orientieren und dies schon morgen, weil der Veränderungsprozess in ihrem Arbeitsumfeld immer größeres Tempo entfaltet. Wir philosophieren seit Jahrzehnten über lebenslanges Lernen , aber in den Betrieben passiert nur wenig dazu. Die große Herausforderung ist, alle mitzunehmen. Für viele gilt, mit einer Erstausbildung kommt man nicht mehr bis zur Rente. Gelingt es nicht, alle mitzunehmen, droht eine unerträgliche gesellschaftliche Spaltung.

Wie sieht die Realität aus?

Hofmann: Viele arbeiten seit Jahrzehnten im Betrieb, machen stets dasselbe und leiden unter Eintönigkeit und Monotonie und sind vom Lernen entwöhnt. Da wirkt der Ruf nach Weiterbildung als Bedrohung. Um Lernen als Chance zu begreifen, muss man als Arbeitnehmer mehr Entscheidungs- und Handlungsspielräume und mehr Weiterbildungsangebote bekommen. Der Arbeitsplatz muss zum Lernort werden.

Was muss sich sonst ändern?

Hofmann: Die Bundesagentur für Arbeit muss von dem Prinzip abkommen, Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Beschäftigte nur möglichst schnell zu vermitteln. Die Fähigkeiten und Talente der Arbeitslosen müssen intensiver hinterfragt und mit den Anforderungen von Morgen in Unternehmen in Einklang gebracht werden. Die Bundesagentur muss mehr zum Berater werden und mehr Entwicklungsmöglichkeiten in der jeweiligen Region aufzeigen, auch mit Gewerkschaften und Arbeitgebern vor Ort. Wir müssen nachdenken, die Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung auszubauen, die die Menschen unterstützt, sich auf die Herausforderungen der Arbeitswelt von morgen zu qualifizieren. Nicht erst dann, wenn man arbeitslos ist.

Was ändert sich für junge Leute?

Hofmann: Sie müssen wegen der schnellen technologischen Entwicklungen damit rechnen, dass sie sich im Laufe ihres Berufslebens zusätzlich für einen zweiten Beruf qualifizieren. Lernen , Bildung und Weiterbildung muss während des gesamten Erwerbslebens mit einem individuellen Rechtsanspruch verbunden und der Anspruch auf berufliche Fortbildung als öffentliches Gut selbstverständlich werden.

Welche Rolle kommt in der Digitalisierung den Gewerkschaften zu?

Hofmann: Die Digitalisierung kann ohne Mitbestimmung nicht funktionieren. Ohne Mitbestimmung gilt zu oft das Prinzip: Wenn die Aufträge heute da sind, was kümmert mich die Zukunft. Es sind nicht nur die Beschäftigten, die noch orientierungslos sind, sondern die große Masse der kleinen und mittleren Unternehmen. Das wird ohne Mitwirkung der Arbeitnehmer und Gewerkschaften kein Erfolg. Auch die Betriebsräte sind gefordert, Druck auf die Unternehmensführungen auszuüben, damit das Thema rechtzeitig behandelt wird und Investitionen und Qualifikationen auf die Zukunft ausgerichtet werden.

Das komplette Interview lesen Sie im Internet auf www.saarbruecker-zeitung.de/it-gipfel

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