"Ich wollte unbedingt in den zivilen Friedensdienst gehen"

Kigali. Einfache Lehmhütten prägen diesen Stadtteil von Kigali. Kleine Kinder spielen im Staub, Frauen tragen leere Wasserkanister zur nächsten Wasserstelle. Kimisagara ist eines der ärmeren Stadtteile in der ruandischen Hauptstadt, in der heute eine Millionen Menschen leben. Nur wenige Meter weiter stehen schöne sandfarbene Häuser neben einem großen Sportplatz und einem Fußballfeld

Kigali. Einfache Lehmhütten prägen diesen Stadtteil von Kigali. Kleine Kinder spielen im Staub, Frauen tragen leere Wasserkanister zur nächsten Wasserstelle. Kimisagara ist eines der ärmeren Stadtteile in der ruandischen Hauptstadt, in der heute eine Millionen Menschen leben.

Nur wenige Meter weiter stehen schöne sandfarbene Häuser neben einem großen Sportplatz und einem Fußballfeld. Es gibt eine Aula, Schlafräume und eine Sporthalle mit technischer Ausstattung. Das Jugendzentrum "Maison de Jeunes Kimisagara" bietet eine Anlaufstelle für Jugendliche ab 15 Jahren. Neben der klassischen Jugendarbeit werden hier mit deutscher Hilfe Friedenspädagogik und zivile Konfliktbearbeitung in das bestehende Programm integriert.

Seit Ende Juni arbeitet die Deutsche Maren Kröger als Friedensfachkraft für den Deutschen Entwicklungsdienst (DED) vor Ort. "Das Zentrum soll ein regionales Zentrum für Konfliktbearbeitung werden", sagt die 31-jährige Sozialpädagogin, deren Aufenthalt erst mal für zwei Jahre angesetzt ist. "Ich wollte unbedingt in den zivilen Friedensdienst gehen, und diese Stelle schien wie geschaffen für mich."

Momentan finden in Kimisagara vor allem Jugendorganisationen einen Raum für ihre Arbeit, es finden viele Sport-Ereignisse und Ferienprogramme statt. Omar zum Beispiel arbeitet in der Drogenprävention. Mit Musik und Tanz will er Jugendlichen eine Alternative zu Alkohol, Cannabis und Kokain bieten. "Vergewaltigung und Drogenmissbrauch gehören zu den häufigsten Verbrechern hier", sagt der 32-Jährige, "schon Kinder schnüffeln Klebstoff."

In einem anderen Raum hat die Nicht-Regierungs-Organisation Esperance ihr Büro. An der Wand hängt ein Plan, jeden Tag um die selbe Zeit steht da: Englisch-Unterricht. Mark, ein Deutscher, der in Ruanda eine Alternative zum Zivildienst absolviert, ist dort eingesetzt und hilft bei der fremden Sprache. Englisch ist in Ruanda die Sprache der Zukunft. "Esperance organisiert viele Straßenfußballturniere", sagt Maren Kröger, "aber sie sind immer besonders und oft legen die Teilnehmer die Regeln vorher selbst fest. Zum Beispiel, dass nur Mädchen Tore schießen dürfen."

Ein wichtiger Aspekt liegt in dem Zentrum bei der Aufarbeitung des Völkermords, der 1994 innerhalb von drei Monaten fast eine Million Menschenleben gefordert hat. Vor fast zwei Jahren startete mit Unterstützung des zivilen Friedensdienstes die Wandzeitung "Heza!", was so viel heißt wie "ein guter Platz zum Leben". Sie wird von jungen Leuten gemacht und an 25 Schulen im Land verteilt. Jede Ausgabe hat ein Schwerpunkt-Thema, zum Beispiel Wahlen oder die Ideologie des Genozids. Momentan wird an der 14. Ausgabe gearbeitet. Es geht um die Arbeitsgruppen an den Schulen, die vor Kurzem zu einem mehrtägigen Seminar nach Kimisagara gekommen sind. Der 27-jährige Olivier, eine einheimische Fachkraft des DED, koordiniert die Arbeit an der Zeitung "Heza!". Außerdem leitet er eine Radio-Gruppe, die wöchentlich eine halbstündige Sendung beim Sender "Voice of America" ausstrahlt. Er studiert Verwaltung und Marketing und hat eine sechsmonatige Radio-Ausbildung im Senegal gemacht. "Es macht mir Angst, wie leicht manipulierbar die Jugend ist, auch heute noch", sagt er. Er berichtet oft kritisch über die Zustände im Land. Vier Mal saß er schon im Gefängnis, unter anderem wegen Reportagen über kongolesische Kinder-Soldaten. Die Narben auf seinen Armen lassen die Folter erahnen.

In Washington hat Olivier bereits einen Preis für seine Berichterstattung gewonnen. Er könnte wahrscheinlich leicht einen Job außerhalb Ruandas bekommen. Doch sein Land will er nicht verlassen. "Ich will etwas für die Gesellschaft und die Jugend tun", sagt er, "aber ich will auch unabhängig bleiben, denn nur so kann ich meine Arbeit gut machen."

Auf einen Blick

Ruanda ist Partnerland von Rheinland-Pfalz. Auf einer Fläche so groß wie das Bundesland Brandenburg leben in dem ostafrikanischen Land rund zehn Millionen Menschen. Wegen seiner in weiten Teilen hügeligen Landschaft wird es auch "Land der tausend Hügel" genannt. Ruanda ist seit 1962 unabhängig von Belgien.

Zwischen April und Juni 1994 töteten Angehörige der Hutu-Mehrheit etwa 75 Prozent der in Ruanda lebenden Tutsi-Minderheit sowie moderate Hutu, die sich am Völkermord nicht beteiligten oder sich sogar aktiv dagegen einsetzten. Heute gilt das Land als - für Afrika - verhältnismäßig stabil. Präsident ist seit 2000 Paul Kagame. nele

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