"Ich möchte nicht länger angebettelt werden"Die Haltung der Parteien zur Reichensteuer

Herr Vollmer, ist privater Reichtum in Deutschland ein Makel?Vollmer: Nein, wie kommen Sie darauf?So aufgeheizt wie die politische Diskussion bei dem Thema zuweilen läuft, müssten Millionäre eigentlich ständig ein schlechtes Gewissen haben

 Die Aktion sorgte für Aufsehen: Mitglieder der Initiative "Appell Vermögender für eine Vermögensabgabe" haben 2009 in Berlin 100-Milliarden-Geldscheine in ein symbolisches Haushaltsloch geworfen. Foto: Schwarz/dpa

Die Aktion sorgte für Aufsehen: Mitglieder der Initiative "Appell Vermögender für eine Vermögensabgabe" haben 2009 in Berlin 100-Milliarden-Geldscheine in ein symbolisches Haushaltsloch geworfen. Foto: Schwarz/dpa

Herr Vollmer, ist privater Reichtum in Deutschland ein Makel?Vollmer: Nein, wie kommen Sie darauf?

So aufgeheizt wie die politische Diskussion bei dem Thema zuweilen läuft, müssten Millionäre eigentlich ständig ein schlechtes Gewissen haben.

Vollmer: Eigentlich müssten die Politiker ein schlechtes Gewissen haben, weil sie für eine Steuergesetzgebung gesorgt haben, die uns so reich sein lässt. Früher habe ich noch 56 Prozent Spitzensteuersatz bezahlt. Der ist inzwischen auf 42 Prozent gesunken. Dann kam die Kapitalertragsteuer auf 25 Prozent. Das heißt, ich bezahle heute weit weniger Steuern als früher, und mein Reichtum wächst.

Geld beruhigt, sagt der Volksmund. Warum beunruhigt es Sie, anscheinend zu viel davon zu haben?

Vollmer: Schauen Sie sich doch um. Ich möchte nicht länger angebettelt werden, wie es häufig in der U-Bahn geschieht. Meine Frau ist Lehrerin in Berlin-Neukölln, da können sich die Kinder kein Lehrmaterial kaufen, weil die Hälfte der Eltern auf Hartz IV angewiesen ist. Diese Kluft zwischen Arm und Reich finde ich unerträglich.

Wie sind Sie zu ihrem Reichtum gekommen?

Vollmer: Ich habe einen Anteil aus dem Familienbetrieb von meinen Vater geerbt. Das ist ein Verlag, an dem mehrere Familienmitglieder beteiligt sind.

In Deutschland gibt es gut 951 000 Millionäre. Ihre Initiative hat gerade einmal 60 Mitglieder. Fühlen Sie sich da nicht als einsamer Rufer in der Wüste?

Vollmer: Typischer Fall von Denkste! Unser Ziel ist es doch nicht, mehr Mitglieder zu gewinnen, sondern mit dafür zu sorgen, dass in der Gesellschaft ein Klima der mehrheitlichen Befürwortung von Umverteilung entsteht. Die Regierung und die Politiker müssen unter Druck kommen, in der Richtung etwas zu tun.

Bislang hat die Regierung immer dagegen gehalten.

Vollmer: Moment. Als wir uns vor drei Jahren gegründet haben, war der Begriff Vermögensteuer oder Vermögensabgabe noch tabu. Heute liefern renommierte Wirtschaftsexperten ein Gutachten nach dem anderen mit entsprechenden Forderungen. Selbst Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble findet die Idee inzwischen gar nicht so schlecht.

Aber doch nicht für Deutschland, sondern nur für die Krisenländer im Süden.

Vollmer: Aber immerhin: Der Reichtum wird thematisiert.

Kritiker wenden ein, dass eine stärkere Belastung Reicher nur ein symbolischer Akt wäre.

Vollmer: Irrtum. Damit lässt sich für den Staat sehr viel Geld einnehmen. Wir schlagen eine Abgabe von zehn Prozent ab einem Vermögen von 500 000 Euro pro Person gestreckt auf zwei Jahre vor. Dadurch kämen etwa 150 Milliarden Euro zusammen. Anschließend soll eine Vermögensteuer von einem Prozent bei gleichem Freibetrag greifen. Für ein Ehepaar hieße das, erst ab eine Millionen Euro wird der Fiskus aktiv. Das tut keinem weh.

Trotzdem könnten Millionäre ihr Geld verstärkt ins Ausland schaffen. Was wäre damit gewonnen?

Vollmer: Diese These halte ich für eine leere Drohung. Sämtliche Besitzsteuern in Deutschland entsprechen gerade einmal 0,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In Frankreich sind es 3,5 und in Großbritannien sogar 4,6 Prozent. Wegen dieser niedrigen Besitzsteuer ist aber noch kein englischer oder französischer Millionär nach Deutschland abgewandert.

Sie sind jetzt 72 Jahre alt. Rechnen Sie damit, die Einführung einer Vermögensabgabe noch zu erleben?

Vollmer: Ja, auf jeden Fall. Der Staat braucht Geld, und bei den unteren Schichten ist immer weniger zu holen. Da bleiben nur noch wir.Berlin. Für eine deutlich stärkere Belastung der reichen Bevölkerungsschichten hat sich immer die Linke stark gemacht. Bei den anderen Parteien war das Thema lange tabu. CDU, CSU und FDP wollen bis heute nichts davon wissen. Sie lehnen eine Vermögensteuer ab.

Dagegen hat sich die SPD auf ihrem Berliner Parteitag im Vorjahr auf ihre frühere Vergangenheit besonnen und einschneidende Steuerbeschlüsse gefasst. Der einst von der Partei selbst auf 42 Prozent zusammen gekürzte Spitzensteuersatz soll demnach auf 49 Prozent steigen, allerdings erst ab individuellen Einkommen von 100 000 Euro im Jahr. Gegenwärtig greift der Spitzensatz für einen Alleinverdiener schon bei einem Verdienst von knapp 53 000 Euro. Die Abgeltungssteuer auf Kapitalanlagen soll von 25 auf 32 Prozent steigen. Den Ländern will man die Wiedereinführung der Vermögensteuer empfehlen, denn ihnen steht auch das Aufkommen daraus zu. So war es schon bis 1997. Damals wurde die Vermögensteuer vom Bundesverfassungsgericht gestoppt. Die Richter störten sich allerdings nicht an der Steuer selbst, sondern an der Art und Weise ihrer Erhebung. Denn Immobilien wurden gegenüber Geldvermögen steuerlich begünstigt.

Die Linke hat gleich ein ganzes Arsenal von "Reichensteuern" im Angebot. Die Pläne reichen von der Millionärsteuer über die drastische Anhebung der Erbschaftsteuer bis zu einer Spekulantensteuer. Allein die Millionärsteuer, bei der fünf Prozent auf Vermögen ab einer Million Euro fällig würden, soll dem Staat laut Linke 80 bis 100 Milliarden Euro pro Jahr einbringen. Die Grünen setzen dagegen auf eine zeitlich befristete Vermögensabgabe, um die Kosten der Finanzkrise zu schultern. Durch hohe Freibeträge sollen nur etwa ein Prozent der vermögendsten Deutschen belastet werden. Pro Jahr kämen demnach zehn Milliarden Euro extra in die Staatskasse. vet

Auf einen Blick

Vermögen: Nach Angaben der Initiative "Appell Vermögender für eine Vermögensabgabe" beträgt das Nettoprivatvermögen in Deutschland 7,5 Billionen Euro. Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung besitzen davon rund zwei Drittel. Neben dem Geldvermögen zählen auch Immobilien dazu.

Schulden: Auf das ärmste Zehntel der Bevölkerung entfallen dagegen Schulden in Höhe von rund 14,1 Milliarden Euro. Die gesamtstaatliche Verschuldung beträgt derzeit gut zwei Billionen Euro.

 Unerträglich findet der Berliner Peter Vollmer die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland. Foto: privat

Unerträglich findet der Berliner Peter Vollmer die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland. Foto: privat

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 Unerträglich findet der Berliner Peter Vollmer die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland. Foto: privat

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