„Ich habe immer noch Albträume“

Der Marpinger Norbert Kuß (71) saß 683 Tage unschuldig im Gefängnis. Wie es ihm nach der Aufhebung des Urteils erging, darüber sprach er mit SZ-Redakteurin Stefanie Marsch.

Herr Kuß, Sie haben zehn Jahre darum gekämpft, Ihre Unschuld zu beweisen. Kann man danach je zur Normalität zurückfinden?

Kuß: So eine Erfahrung bleibt Bestandteil des Lebens. Ich habe noch immer Schlafstörungen und Albträume. Manchmal wache ich nachts schweißgebadet und mit rasendem Puls auf. Trotzdem hat sich mein Leben normalisiert. Eine große Rolle spielt dabei, dass ich finanziell abgesichert bin. Viele, die in einer ähnlichen Situation sind, verlieren alles. Ich bekomme meine Rente. Und weil wir auch privat sehr viel Hilfe hatten, konnten wir unser Haus behalten.

Wollten Sie während der zehn Jahre jemals aufgeben?

Kuß: Wäre ich allein gewesen, hätte ich sicher aufgegeben. Aber der Rückhalt meiner Familie, von Freunden, Kollegen und den Menschen hier im Ort hat mir geholfen durchzuhalten.

Was fühlen Sie, wenn Sie an den Freispruch denken?

Kuß: Mir kommen noch heute die Tränen. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie viele Steine mir da vom Herzen gefallen sind.

Es wird noch einen Prozess gegen eine Gutachterin geben. Glauben Sie, dass Sie jemals einen Schlussstrich ziehen können?

Kuß: Ich habe hier einen Karton stehen, in dem ich alle Akten zu meinem Fall ablegen will. Ich hoffe, dass ich da bald den Deckel draufmachen kann.

Gerade hat sich ein Verein gegründet, der Justiz-Opfern helfen will. Können Sie sich vorstellen, sich da auch zu engagieren?

Kuß: Auf jeden Fall. Ich gebe meine Erfahrungen gern weiter. Es ist wichtig, dass es so einen Verein gibt. Er kann die Betroffenen beraten. Es gibt so viele Dinge, auf die man achten muss: Das fängt bei der Wahl des richtigen Anwalts an. Es geht aber auch um die Frage, was zu tun ist, wenn tatsächlich eine Aufhebung des Urteils erreicht ist.

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