Schäfer: Man muss immer den Einzelfall sehen. Das Alter des Patienten spielt eine Rolle, seine sexuelle Aktivität oder auch die Größe des Tumors. Ich sehe nicht, dass diese Faktoren hierzulande weniger berücksichtigt werden als anderswo. Grundsätzlich könnte die Studie jedoch ein Hinweis darauf sein, dass sich Mediziner und Patienten unter Umständen noch nicht häufig genug über die optimale Therapie austauschen.

Warum neigen manche Mediziner zu Operationen?

Schäfer: Ich gehe davon aus, dass jeder Arzt die optimale Therapie empfiehlt. Doch in der Einschätzung kann es Nuancen geben. Dazu kommt, dass die Vergütungsstruktur im Krankenhausbereich gewisse Entscheidungen beeinflussen kann. Sie bekommen für eine Operation die Summe X und für ein anderes Verfahren die Summe Y. Wenn vergleichbare Ergebnisse zu erwarten sind, könnten Entscheidungen auch in diese oder jene Richtung gehen. Es gibt Spielräume - immer unter Berücksichtigung des Patientenwohls.

Könnte die neue Studie dazu führen, dass weniger operiert wird?

Schäfer: Möglicherweise. Beim Prostatakarzinom galt lange die Devise: Was raus ist, ist raus. Das war häufig auch im Sinne der Patienten, die den Tumor schnell loswerden wollten. Auch bei anderen Therapien hat sich das Bild gewandelt, nicht zuletzt durch technische Neuerungen. Früher etwa wurde Brustkrebs radikal operiert - bis man merkte, dass man bei gleichen Erfolgsaussichten auch erhaltend operieren kann. Hier haben medizinische Erkenntnisse im Laufe der Zeit Besserungen für die Patienten gebracht. Womöglich befinden wir uns beim Prostatakarzinom in einer ähnlichen Situation. Medizin ist immer ein Lernprozess. Foto: Privat