Hungern für einen Flug in die Heimat

Lanzarote/Madrid. Eine Frau, die sich nicht verbiegen lässt. Mit einem eisernen Willen. So eisern, dass sie bereit ist zu sterben, wenn man nicht ihre Forderung erfüllt: Sie in ihre Wüstenheimat, in die von Marokko seit 1976 besetzte Westsahara, zurückkehren zu lassen. Am 14. November begann Aminatou Haidar (42) einen Hungerstreik auf dem Flughafen der spanischen Urlaubsinsel Lanzarote

Lanzarote/Madrid. Eine Frau, die sich nicht verbiegen lässt. Mit einem eisernen Willen. So eisern, dass sie bereit ist zu sterben, wenn man nicht ihre Forderung erfüllt: Sie in ihre Wüstenheimat, in die von Marokko seit 1976 besetzte Westsahara, zurückkehren zu lassen. Am 14. November begann Aminatou Haidar (42) einen Hungerstreik auf dem Flughafen der spanischen Urlaubsinsel Lanzarote. Nimmt seitdem nur Wasser zu sich. Kann sich kaum noch auf den Beinen halten. Inzwischen ist die Mutter zweier Kinder so geschwächt, dass Ärzte um ihr Leben fürchten. "Ich habe keine Angst vor dem Tod", krächzt sie kaum hörbar.

Der Leidensweg Aminatou Haidars steht für die Geschichte eines ganzen Volkes. Die vom Rest der Welt fast vergessenen Saharauis, stolze Wüstenbewohner der Westsahara im nördlichen Afrika. Eine Geschichte der gewaltsamen Unterdrückung: Zunächst geknechtet durch die spanischen Kolonialherren, dann durch Marokko. Haidar ist die bekannteste Menschenrechtsaktivistin ihres Volkes, hat jahrelang in marokkanischen Kerkern geschmachtet. Sie wurde mit vielen internationalen Preisen für ihren friedlichen Widerstand gewürdigt und war auch schon für den Friedensnobelpreis nominiert. Die "Ghandi der Westsahara" wird sie ehrfurchtsvoll genannt.

Nun soll sie offenbar für ihren mutigen Freiheitskampf erneut bezahlen: Die marokkanische Regierung, die in der Westsahara seit mehr als drei Jahrzehnten mit eiserner Hand regiert und die Menschenrechte der Saharauis mit den Füßen tritt, hat ihr den Pass weggenommen und sie Mitte November auf die benachbarte, vor der afrikanischen Atlantikküste liegende Kanareninsel Lanzarote abgeschoben.

Das entspricht der verschärften Repression, mit der Marokkos König Mohammed VI. (46) nun endgültig den Widerstand gegen die Einverleibung der Westsahara brechen will: "Entweder man ist Marokkaner", predigte der allmächtige Monarch kurz vor Haidars Ausweisung, "oder man ist Verräter." "Feinde des Vaterlandes" verdienten die Staatsbürgerschaft nicht.

Aminatou Haidar gehört in den Augen Mohammeds zweifellos zu den Feinden: Wie alle, welche die "territoriale Integrität" Marokkos, das die Westsahara entgegen des Völkerrechtes annektierte, in Frage stellen. Die polizeiliche Verfolgung, Schikane und Verhaftung von Saharaui-Aktivisten ist in der Westsahara an der Tagesordnung.

Nun hungert Haidar im Flughafen Lanzarotes, um zurückfliegen und ihre Familie wieder sehen zu dürfen. Sie lehnt alle Hilfen der spanischen Regierung ab, die ihr Asyl und sogar die Staatsbürgerschaft anbot. Haidar will nur eins: "Zurückkehren, auch wenn ich in meiner Heimat ins Gefängnis muss."

Hintergrund

Die Westsahara war bis 1975 spanische Kolonie. Danach annektierte das benachbarte Marokko die rohstoffreiche Wüstenregion. Bis 1991 kämpften Saharaui-Rebellen (Polisario) gegen die Besatzer. Dann vereinbarten die UN einen Waffenstillstand und ein Referendum über die Selbstbestimmung des Nomadenvolkes. Doch Marokko verweigert bis heute das Referendum. In der Westsahara leben etwa 270 000 Menschen, davon die Hälfte marokkanische Siedler. Rund 150 000 saharauische Flüchtlinge harren in Zeltlagern in Süd-algerien aus. ze

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