Holocaust-Leugner verschanzt sichKritik der katholischen Bischöfe am Vatikan nimmt zu"Verhältnis der Juden zum Vatikan vergiftet"

La Reja. Hinter dicken Mauern lebt der Holocaust-Leugner, gut abgeschirmt von seinen Glaubensbrüdern. Es ist ein großes Gebäude im Stil des Neokolonialismus, überragt von Glockentürmen, das 40 Kilometer westlich von Buenos Aires ein Priesterseminar beherbergt - und auch den Erztraditionalisten Richard Williamson

La Reja. Hinter dicken Mauern lebt der Holocaust-Leugner, gut abgeschirmt von seinen Glaubensbrüdern. Es ist ein großes Gebäude im Stil des Neokolonialismus, überragt von Glockentürmen, das 40 Kilometer westlich von Buenos Aires ein Priesterseminar beherbergt - und auch den Erztraditionalisten Richard Williamson. "Wir haben eben mit ihm gegessen, er bat uns, die Presse nicht hereinzulassen", sagt der Seminarist Carlos. "Er hat dem nichts hinzuzufügen, was bereits gesagt ist." Der Seminarist will sich nicht zu weiteren Äußerungen nötigen lassen. "Meine Anweisungen sind deutlich", gibt er Bescheid. Doch ist kaum zu verbergen, dass es hinter den Mauern des Seminars Nuestra Señora Corredentora mächtig gärt. "Die Presse verfälscht seine Worte, sie fügt Dinge hinzu, die er nie gesagt hat", entfährt es Carlos dann doch noch. Er dreht sich auf dem Absatz um.

Weltweite Aufregung

Die Aussagen, die in diesen Tagen rund um den Globus für Aufregung sorgen, sind indes dokumentiert. Williamson sagte im Januar im schwedischen Fernsehen, er denke, dass "200 000 bis 300 000 Juden in den Konzentrationslagern gestorben" seien, aber "nicht ein einziger von ihnen in Gaskammern". Es war eine für Schlagzeilen äußerst förderliche Koinzidenz, dass diese Äußerungen wenige Tage vor der Rehabilitierung Williamsons und dreier weiterer Vertreter der Pius-Bruderschaft durch Papst Benedikt XVI. ausgestrahlt wurden.

Als sich ein Sturm der Entrüstung über die Äußerungen Williamsons und die daraufhin unverdrossen erfolgte Wiederaufnahme in den Schoß der katholischen Kirche erhob, blieb allerdings auch der Hardliner in La Reja nicht völlig ungerührt. "In diesem ungeheuren medialen Sturm, der durch meine unvorsichtigen Bemerkungen im schwedischen Fernsehen ausgelöst wurde, bitte ich Sie, mein aufrichtiges Bedauern" entgegenzunehmen, heißt es in einem Schreiben Williamsons an Kardinal Dario Castrillon Hoyos, der sich im Vatikan um eine Wiederherstellung des Dialogs zu traditionalistischen Katholiken bemüht. Das Schreiben wurde ins Internet gestellt und auch vom Vatikan publik gemacht, um die Affäre beilegen zu können.

Und dann schaltete sich auch noch der Generalobere der Pius-Bruderschaft, Bernard Fellay, ein. Er entschuldigte sich beim Papst für die Äußerungen Williamsons - und untersagte diesem "jede öffentliche Stellungnahme zu politischen und historischen Fragen". So ist es nur konsequent, dass die Journalisten am Eingang zum Seminar in La Reja kaum noch etwas ausrichten können. Die Tore sind mit Vorhängeschlössern gesichert, für weitere Abschreckung sorgt Stacheldraht. Fotografen und Kameraleute versuchen mit Tele-Objektiven Einblick ins Seminar zu erhalten. Ohne großen Erfolg.

Mehr als 20 Jahre sind vergangen, seit der Glaubensstreit mit dem französischen Bischof Marcel Lefebvre in kirchlichen Zwangsmaßnahmen seinen Höhepunkt fand. 1988 erging das Dekret der Kongregation in Rom, mit dem Lefebvre, Fellay und Williamson exkommuniziert wurden. Schon damals ging es neben Fragen der Liturgie auch um das Verhältnis zwischen Katholizismus und Judentum. Die Pius-Bruderschaft wollte nicht anerkennen, dass sich das Zweite Vatikanische Konzil von der alten Kirchentradition abwandte, die die Juden für den Tod Christi verantwortlich machte - und sie stattdessen zu "älteren Brüdern" der Christen erklärte. Berlin. Das Verhältnis der jüdischen Gemeinschaft zum Vatikan ist nach Worten des Vizepräsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, vergiftet. "Wir müssen alle daran arbeiten, dass aus dieser Vergiftung keine dauerhafte Seuche wird", sagte er gestern dem Nachrichtensender n-tv. Die Teilrehabilitierung der Piusbrüderschaft sei "ein Signal für die Vergiftung und gegen die Versöhnung, für die Kälte und gegen jede Herzlichkeit". dpa

Rom/Berlin. Nach massiver Kritik am Papst wegen des Zugehens auf die erzkonservative Piusbruderschaft ist der Vatikan um eine Entschärfung der Krise bemüht. Benedikt und allen seinen Mitarbeitern liege auch künftig an guten Beziehungen zum Judentum, sagte Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone der Zeitung "Avvenire". Die Bruderschaft habe sich von Äußerungen ihres Mitbruders distanziert. "Die Angelegenheit ist aus meiner Sicht beigelegt."

"Es sind mit Sicherheit Fehler im Management der Kurie gemacht worden", sagte der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper dem Radio Vatikan. Der Kardinal zeigte sich zutiefst besorgt über die durch die Rücknahme der Kirchenstrafe von vier Bischöfen der Priesterbruderschaft St. Pius ausgelöste Debatte und sprach von einem entscheidenden "Mangel an Kommunikation im Vatikan".

Der Papst-Schüler Wolfgang Beinert sagte, es müsse von der Bruderschaft eine Erklärung verlangt werden, wonach das Zweite Vatikanische Konzil anerkannt werde, samt der Erklärungen über Religionsfreiheit und das Verhältnis zu den Juden, sagte der frühere Assistent von Joseph Ratzinger in Regensburg dem Bayerischen Rundfunk. Nach Beinerts Einschätzung ist das Vorgehen von Benedikt XVI. in der 2000-jährigen Geschichte der katholischen Kirche beispiellos.

Nach Einschätzung von zwei Papst-Biografen ist Benedikt XVI. im Fall Williamson falsch beraten worden. "Entweder man hat im Vatikan geschlampt oder dem Papst etwas vorenthalten", sagte Autor Klaus-Rüdiger Mai. Biograf Peter Seewald sagte "Focus ": "Es ist völlig unvorstellbar, dass er die Äußerungen gekannt hat. Sonst hätte er niemals die Exkommunikation aufgehoben." dpa

Hintergrund

Das Zweite Vatikanische Konzil (Vaticanum II) hat von Oktober 1962 bis Dezember 1965 mit einer Reihe von Reformen Kirchengeschichte gemacht. Der bereits schwer kranke Papst Johannes XXIII. hatte das Konzil einberufen, um die katholische Kirche zu modernisieren. Insgesamt verabschiedeten die katholischen Würdenträger aus aller Welt 16 Dokumente, darunter die Erklärung zur Religionsfreiheit "Dignitis humanae" und die Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen "Nostra aetate".

Zu den wichtigsten Ergebnissen des Konzils, das Papst Paul VI. nach dem Tod von Johannes XXIII. im Jahr 1963 weiterführte, gehörte auch eine Reform der Liturgie. Sie ersetzte die traditionelle lateinische Sprache der Messe weitgehend durch die Landessprache. Solchen Liberalisierungen widersetzten sich bald Traditionalisten wie der französische Erzbischof Marcel Lefebvre (1905 bis 1991). Dieser gründete 1970 die erzkonservative Priesterbruderschaft Pius X.. dpa

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