"Hofer" hoffen, dass der Trubel ausbleibtWie aus anfänglicher Angst eine große Liebe wurde

Madenfelderhof Früher gab es Wartelisten, jeder wollte gerne in der Bergarbeitersiedlung in der Nähe der Redener Halde wohnen. Auch heute noch sind die Häuser beliebt, lebt hier eine eingeschworene Gemeinschaft. Mittlerweile bleibt sie keinem mehr verborgen: Die kleine schmucke Siedlung, die am Fuß der Halde Reden gelegen ist

Madenfelderhof Früher gab es Wartelisten, jeder wollte gerne in der Bergarbeitersiedlung in der Nähe der Redener Halde wohnen. Auch heute noch sind die Häuser beliebt, lebt hier eine eingeschworene Gemeinschaft. Mittlerweile bleibt sie keinem mehr verborgen: Die kleine schmucke Siedlung, die am Fuß der Halde Reden gelegen ist. Wenn die Besucher, die auf der Halde unterwegs sind, in Richtung Norden schauen, bleiben sie automatisch mit ihren Augen an jenem Straßenzug hängen, der nun seit bereits 90 Jahren vielen Menschen Heimat war und heute noch ist. Es ist viel geschrieben worden über die besondere Siedlung an der Saar, einem Vermächtnis der französischen Grubenverwaltung, gebaut nach dem Ersten Weltkrieg, um die Wohnungsnot im Bergbaurevier zu lindern. Studienarbeiten über das bergbauliche Milieu der abgeschlossenen "Kolonie" mit seinem besonderen soziokulturellen Klima wurden verfasst. Sogar als Filmkulisse musste die Siedlung bereits herhalten. In der fertigen Produktion fanden sich viele Hofer als Statisten wieder, - die damals, sehr zum Ärger vieler, allerdings als "Ruhrpottler" verkauft wurden.Von der Halde aus betrachtet, leuchten die Dächer der Häuser, die abwechselnd in Trauf und Giebelstellung stehen, hellrot in den Himmel. 36 Häuser mit jeweils zwei Wohnungen reihen sich dicht gedrängt in den zwei Straßen aneinander - es waren einmal 40. Die fehlenden vier fielen der gewaltigen Macht der Halde zum Opfer, die immer mehr Platz brauchte, um die Bergelast der Grube Reden aufzunehmen. Dem Beobachter bleibt auch ein intimer Blick in die Gärten der Häuser nicht verborgen. Unzählige Gartenhäuser, blauschimmernde Schwimmbecken und dazwischen auch noch ab und zu ein Stück Nutzgarten runden die Idylle ab.

Wenn man heute mit den Menschen, die auf dem Hof gelebt haben spricht, fühlt man sofort, dass es etwas Besonderes war ein "Hofer" zu sein. In den Gesprächen hört man immer wieder die gleichen Inhalte: Harmonie, Geborgenheit, Heimat. Jeder weiß eine Geschichte zu erzählen, vom Spielen auf der Halde, den Rauchschwaden der Kokerei und dem Bangen um die Siedlung, als die Abrissbagger die ersten Häuser niederrissen, um Platz für die Halde zu schaffen.

In den vergangenen 90 Jahren hat sich viel verändert. Lag die Siedlung zur Zeit ihres Baus einst abgelegen in fast unberührter Naturlandschaft, so ist sie heute eingeengt von den drei Bergehalden der Grube Reden und dem ehemaligen Kohlenlager, einem neuen Gewerbegebiet, das sich hinter einem langen Lärmschutzwall versteckt und dem Zukunftsort Reden, der demnächst mit weiteren Attraktionen noch mehr Besucher auf die Halde locken wird.

Von all dem sind die "Hofer" wenig beeindruckt. Zum Bergbau und zur Grube Reden besteht kaum noch Bindung. Aktive Bergleute gibt es nun auch nicht mehr in der Siedlung. Der letzte Bergmann in der Siedlung, der noch unter Tage arbeitet, musste kürzlich seine Sachen packen und der Kohle folgen - hoch in den Norden nach Ibbenbüren. Die Umwandlung der Grube Reden in den Zukunftsort Reden finden die meisten Hofer gut. Dennoch merkt man vielen die Skepsis in Hinblick auf Gondwana, Fun-Berg und Energiepark an. Vielleicht ist es auch die Trauer über die keiner spricht, die Trauer um den Verlust der besonderen Atmosphäre, die noch in der Siedlung herrschte, als die Dampfsirene der Grube Reden die Arbeiter alle acht Stunden daran erinnerte, dass es Zeit war, zur Schicht zu gehen.

Befragt man die Hofer nach ihren Wünschen im Hinblick auf ihre Heimat, klingen die Antworten fast wie abgesprochen. Sie wünschen sich nur, dass nicht allzu viel Trubel in die Siedlung einzieht, und dass ihr Hof weiter bestehen bleibt, - dass sie Zeit haben, im Sommer abends vor ihren Häusern zu sitzen und das Leben auf dem Hof zu genießen.

Produktion dieser Seite:

Elke Jacobi,

Gunther ThomasLandsweiler-Reden. Anna Fuss lebt nun seit fast 50 Jahren auf dem Madenfelderhof: Mit leuchtenden Augen erzählt sie über ihr Leben in der Siedlung, die ihr so viel bedeutet. Sie verließ 1946 ihre Heimatstadt Issingen, um im damaligen Saargebiet ihr Glück zu suchen. "Als ich zum ersten Mal die schwarzen Halden, die Bergwerke und die Hütten sah, bekam ich Angst. Die schwere und vom Ruß geschwängerte Industrieluft raubte mir den Atem", so beschreibt sie ihre erste Zeit in der Industrieregion. In einem Gespräch mit der SZ erzählt Anna Fuss vom Hofer Leben.

1964 erhielt ihr Mann Nachricht von der Grubenverwaltung Reden. Ihrer Familie wurde eins der begehrten Häuser in der Koloniestraße zugeteilt. Die Warteliste für die Wohnungen "auf dem Hof" waren sehr lange. Und nur ein untadeliger Mitarbeiter der Grube oder der Kokerei mit mindestens zwei Kindern hatte überhaupt eine Chance, eine der billigen Wohnungen zu bekommen. Die Miete war mit 20 Mark für einen Monat auch für die damalige Zeit sehr günstig.

Mit der neuen Nachbarschaft in der Siedlung war Anna Fuss sich schnell einig. Die Frauen halfen sich gegenseitig bei der Betreuung der Kinder und bei der Pflege der heimischen Gärten. Schmunzelnd erzählt sie, dass die Wäsche nur nach dem Schichtplan der Kokerei zum Trocknen ins Freie gehängt werden konnte. "Wenn die saubere Wäsche beim 'Koksdrücken' auf der Leine war, war die ganze Arbeit umsonst, und die Wäsche wieder schwarz vom Rauch und Ruß."

Samstags war immer ein besonderer Tag in der Siedlung. Die meisten Arbeiter hatten zum ersten Mal einen Werktag in der Woche frei. Im Sommer spielten die Kinder bis spät in den Abend auf der Straße und die Alten saßen auf der steinernen Treppe vor den Häusern und tratschten, redeten über die Kohle oder polierten ihre ersten Autos.

Eine Bindung zum Dorf habe es kaum gegeben. Die "Hofer" hatten alles, was sie zum Leben brauchten. Ein kleiner Laden in einem der Häuser verkaufte frisches Brot und den Bedarf für das tägliche Leben. In der Kaffeeküche der Grube Reden wurde frische Wurst gekauft. Lediglich die Kerb haben die Hofer im Dorf gefeiert.

An einige Ereignisse erinnert sich Anna Fuss auch heute noch ganz genau: Einmal musste sie einen brennenden Vorhang bei ihrer Nachbarin löschen, den die Tochter beim Spielen versehentlich in Brand gesteckt hat. Auch der Brand der Kokerei ist ihr noch genau im Gedächtnis. Aber die Zeiten hätten sich nun stark geändert, so gibt es nur noch wenige Kinder in der Straße, und umso mehr Autos stehen vor den Häusern. "Aber unser Hof ist immer noch etwas Besonderes", sagt sie energisch mit einem charmanten Schwarzwälder-saarländischen Dialektmix und lächelt dabei zufrieden. ard

Foto: B. Schäfer

Hintergrund

Die Mines Domaniales, die nach dem Ersten Weltkrieg die Verwaltung der saarländischen Gruben übernahm, baute 1920 bis 1922 auf einem Feld nahe dem Gehöft Madenfelderhof eine Werksiedlung für die Grube Reden. Es entstanden 40 Doppelhäuser in zwei Straßenzügen, die für 80 Familien zur neuen Heimat wurden. In den Chroniken wird berichtet, dass zeitweise über 400 Menschen in der Siedlung Wohnraum fanden. Mit der Vermietung der Wohnungen durch die Grubenverwaltung wurden die Arbeiter fest an die Grube gebunden. So wurde bei einem arbeitsrechtlichen Vergehen, das zur Kündigung führte, auch gleichzeitig der Mietvertrag gekündigt. Durch die isolierte Lage der "Kolonien" und die Belegung mit zugereisten Arbeitern entwickelte sich auch auf dem Madenfelderhof eine eigene soziokulturelle Lebenskultur mit vielen liebenswerten Facetten. ard

Auf einen Blick

Bergleute waren schon immer sehr gesellige Menschen. Und so dauerte es nicht sehr lange, bis sich in der Siedlung die ersten Vereine bildeten. Bevor die Verbindung nach Landsweiler durch den Bau der Kokerei gekappt wurde, gab es im "Repperts Eck" noch ein Lokal. In diesem Lokal wurde 1926 der Quartettverein "Alpenrose" gegründet. Ein Männerchor, der auch heute noch besteht und ein fester Bestandteil in der Kulturszene in der Gemeinde ist. Der Karnevalsverein "Junges Blut" war bekannt für seine Fastnachtsumzüge, die durch das ganze Dorf zogen. In den späteren Jahren beteiligten sich die Hofer auch am Vereinsleben im Dorf. Gute Fußballspieler rekrutierten sich genauso wie gestandene Feuerwehrleute aus den Hofer Jungs. ard

Stichwort

Die im Jahre 1936 erbaute und am nördlichen Hang des Nusskopfs zwischen dem Madenfelderhof und der Ortsmitte von Landsweiler gelegene Kokerei produzierte mit kurzer Unterbrechung bis 1972 Koks. Viele Bewohner der Madenfelderhof- und der Koloniestraße können sich noch genau an jenen Tag im Mai 1973 erinnern. Die Betriebsanlagen der Kokerei wurden geschleift und dabei auch die Benzolfabrik abgerissen. Bei Brennarbeiten an der Stahlkonstruktion des Teerbehälters geschah das Unglück. Teer und Benzolreste hatten sich entzündet. Das Feuer breitete sich rasant auf dem ganzen Gelände aus. Dicke schwarze Rauchwolken hüllten den Ort und die Siedlung ein. Bewohner mussten evakuiert werden, einer der größten Feuerwehreinsätze im Landkreis nach dem Krieg begann. Zwei Tage brauchten die Löschmannschaften um das Feuer endgültig zu löschen. Sogar Flugfeldlöschfahrzeuge der Bundeswehr aus Zweibrücken beteiligen sich an den Löscharbeiten. ard

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