Höhere Beiträge statt Rente mit 67?Die Stellschrauben bei der Rente

Berlin. "... mit 65 Jahren ist noch lange nicht Schluss", könnte es bald in Abwandlung eines Udo-Jürgens-Liedes heißen. Denn wenn es nach Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) geht, führt an der Rente mit 67 kein Weg vorbei: "Wir werden immer älter und immer weniger

Berlin. "... mit 65 Jahren ist noch lange nicht Schluss", könnte es bald in Abwandlung eines Udo-Jürgens-Liedes heißen. Denn wenn es nach Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) geht, führt an der Rente mit 67 kein Weg vorbei: "Wir werden immer älter und immer weniger. Da gibt es nach Adam Riese nur drei Möglichkeiten: Die Rente zu kürzen, die Beiträge für die Jungen drastisch zu erhöhen oder etwas länger zu arbeiten." Unbestreitbar steuert die Rentenversicherung auf ein Problem zu: Es ergibt sich aus der weiter zunehmenden Alterung der Gesellschaft. Immer weniger Babys werden geboren, zugleich gibt es immer mehr Senioren, die zudem immer länger leben. Kamen im Jahr 2005 noch 31,7 Rentner auf 100 Bundesbürger zwischen 20 und 64 Jahren, so wird sich das Verhältnis bis 2030 erheblich verschlechtern: Nach der jüngsten Vorausberechnung des Statistischen Bundesamtes kommen dann auf 100 Menschen im Erwerbsalter bis zu 52,8 Bürger im Rentenalter.Wenn immer weniger Beschäftigte für immer mehr Rentner bezahlen müssen, treibt das den Beitragssatz zwangsläufig nach oben. Mit der Rente mit 67 wollten Union und SPD mit dem ehemaligen Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) als treibender Kraft das Dilemma entschärfen. Im März 2007 verabschiedete die große Koalition dann das "Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlage der gesetzlichen Rentenversicherung".Schon damals gingen die Gewerkschaften auf die Barrikaden. Ihr Einwand: Eine Anhebung des Eintrittsalters für eine abschlagsfreie Rente verlängert für viele nur die Dauer der Arbeitslosigkeit - und ist daher aus ihrer Sicht bloß ein neues Rentenkürzungsprogramm. Jetzt hat Michael Sommer (Foto: dapd), Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, dazu aufgerufen, anstelle der Rente mit 67 die Rentenbeiträge anzuheben. Bei einem "Verzicht auf den ganzen Zinnober mit der Rente mit 67 käme auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammen eine Beitragserhöhung von gerade einmal 0,6 Prozentpunkten zu. Das wäre keine Zumutung", sagte Sommer. "Die Rente mit 67 muss auf Eis gelegt werden", forderte er, "sie jetzt einzuführen, wäre gesetzeswidrig. Sie ist ausdrücklich an eine positive Entwicklung der Beschäftigung Älterer gebunden."Die SPD schloss sich der DGB-Forderung nicht an, obwohl sie in der Rentenpolitik vor einigen Monaten eine Kursänderung vorgenommen hatte. "Das ist nicht die Position der SPD", sagte Partei-Chef Sigmar Gabriel. "Wir wollen nicht, dass die Menschen weniger Netto vom Brutto haben." Das wäre jedoch die Folge. Entscheidend sei, dass die Arbeitgeber mehr Ältere beschäftigten. Auch CSU-Chef Horst Seehofer, der zuletzt in ein ähnliches Horn geblasen hatte wie die SPD, lehnt den Vorstoß ab. Die Rente mit 67 soll die Beitragszahler entlasten. Das wird sie nur in bescheidenem Umfang leisten können. Bei voller Wirkung gehen die Rentenversicherer von einer Entlastung um etwa einen Prozentpunkt aus. Dieser Effekt wird aber durch Ausnahmen von der Rente mit 67 und höhere Rentenanpassungen als ohne Anhebung des Rentenalters zur Hälfte aufgefressen. Damit bleibt netto unterm Strich eine Entlastung von einem halben Prozentpunkt. Im Jahr 2030 darf der Beitragssatz laut Gesetz unabhängig von der Demografie nicht über 22 Prozent steigen.Wenn sich der Wirtschaftsaufschwung fortsetzten sollte, könnte es 2014 sogar eine Ermäßigung beim Rentenbeitragssatz von derzeit 19,9 Prozent auf 19,3 Prozent geben. Das wurde in der vergangenen Woche bekannt. Die aktuelle Forderung von DGB-Chef Sommer, die Anhebung des Rentenalters auf Eis zu legen und als Ausgleich den Rentenbeitrag um 0,6 Prozent anzuheben, käme dann einem simplen Nullsummenspiel gleich: Junge, Alte und Arbeitgeber kämen aus heutiger Sicht ohne zusätzliche Belastung aus. Sie müssten dann aber auf eine vorübergehende Beitragssenkung verzichten.Berlin. Maßgeblich für das Rentensystem sind die Höhe der Renten, das gesetzliche Renteneintrittsalter und der Beitragssatz. Dies sind die drei entscheidenden Stellschrauben im umlagefinanzierten System, in dem die Beitragseinnahmen für die Rentenzahlungen umgehend wieder ausgegeben werden. Sie sollten ausbalanciert sein. Im vergangenen Jahr lagen die Einnahmen bei 239,3 Milliarden Euro, die Ausgaben bei 239,1 Milliarden Euro.Der Beitragssatz: Er liegt derzeit bei 19,9 Prozent vom Bruttoeinkommen und muss von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu gleichen Teilen bezahlt werden. Wenn die Einnahmen die Ausgaben dauerhaft übersteigen und die Rücklagen mehr als 1,5 Monatsausgaben ausmachen, muss der Beitragssatz gesenkt werden. Dies zeichnet sich für 2014 ab - mit einer Ermäßigung auf 19,3 Prozent.Rentenleistung: Für die individuelle Rente sind die Zahl der Beitragsjahre und die Höhe des jeweiligen Rentenwertes entscheidend. Wer 40 Jahre den Durchschnittbeitrag eingezahlt hat, kann im Westen mit einer Monatsrente von derzeit 1096 Euro und im Osten von 965 Euro rechnen. Renteneintrittsalter: Derzeit liegt das gesetzliche Eintrittsalter für eine abschlagsfreie Rente bei 65 Jahren. Es soll zwischen 2012 und 2029 schrittweise auf 67 Jahre angehoben werden. Daraus erwartet die Rentenversicherung eine Entlastung um 0,5 Prozentpunkte für die Beitragszahler. Aufgrund steigender Lebenserwartung hat sich die Rentenbezugsdauer im Westen zwischen 1960 und 2009 von durchschnittlich 9,6 Jahren auf 16,2 Jahre verlängert. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen. Das Renteneintrittsalter liegt aktuell bei durchschnittlich 61 Jahren. dpa "Die Rentemit 67 mussauf Eisgelegt werden."DGB-ChefMichael SommerMeinung

Mit zweierlei Maß gemessen

Von SZ-KorrespondentStefan Vetter In der Sozialpolitik messen die Gewerkschaften offenbar mit zweierlei Maß. Noch am Wochenende hatte der DGB seine Anhänger mobilisiert, um gegen Mehrbelastungen durch die Gesundheitsreform zu protestieren. Der Krankenkassenbeitrag steigt um 0,6 Prozentpunkte. Bei der Rentenversicherung schlägt DGB-Chef Michael Sommer nun vor, anstatt das Renteneintrittsalter zu erhöhen, solle der Beitrag um 0,6 Prozentpunkte angehoben werden. Dies wäre "keine Zumutung".Das verstehe, wer will. Schon weil die Menschen immer älter werden, ergibt eine Aufstockung der Lebensarbeitszeit Sinn. Entscheidend ist, wie die Betriebe sich darauf einstellen. Wenn Ältere zunehmend auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind, dürfte auch die Rente mit 67 ihren Schrecken verlieren. Dazu können auch die Gewerkschaften im Rahmen von Tarifverhandlungen beitragen.

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