Höchste Arbeitsrichterin verteidigt harte Urteile

Berlin/Saarbrücken. Die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, Ingrid Schmidt (Foto: dpa), hat Verständnis für Arbeitgeber gezeigt, die Angestellten wegen kleiner Vergehen kündigen. "Es gibt keine Bagatellen", sagte Schmidt der "Süddeutschen Zeitung"

Berlin/Saarbrücken. Die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, Ingrid Schmidt (Foto: dpa), hat Verständnis für Arbeitgeber gezeigt, die Angestellten wegen kleiner Vergehen kündigen. "Es gibt keine Bagatellen", sagte Schmidt der "Süddeutschen Zeitung". Sie kritisierte "fehlenden Anstand" von Arbeitnehmern: "Wie kommt man eigentlich dazu, ungefragt Maultaschen mitzunehmen? Oder eine Klo-Rolle oder stapelweise Papier aus dem Büro?" Seit Jahrzehnten gelte die Rechtsprechung, wonach Diebstahl oder Unterschlagung auch geringwertiger Sachen ein Kündigungsgrund sei, sagte Schmidt. Sie verteidigte damit die Richter unterer Instanzen, die so genannte Bagatell-Kündigungen im zu Ende gehenden Jahr für rechtmäßig erklärt hatten: "Jeder frage sich mal, wie viel er sich denn aus der eigenen Tasche nehmen lassen würde, bevor er reagiert." Die Kritik von Gewerkschaftern und Politikern an den Urteilen sei "völlig daneben" gewesen, sagte die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichtes.

Der Vorsitzende des DGB Saar, Eugen Roth, reagierte mit Empörung. "Es ist erschreckend, wie lebensfremd sich eine der höchsten Richterinnen in Deutschland äußert. Da muss man sich fragen, ob ihre Sozialkompetenz für so eine große Aufgabe reicht", sagte Roth der SZ. In der Vergangenheit hatten mehrere Fälle von Kündigungen wegen kleiner Diebstähle Aufsehen erregt: So bestätigten Gerichte die Kündigung einer Supermarkt-Angestellten wegen entwendeter Pfandbons im Wert von 1,30 Euro. In einem anderen Fall bestätigte die Justiz die Kündigung einer Sekretärin, weil sie zwei halbe Brötchen und eine Frikadelle von einem Buffet verzehrt hatte. Auch die Kündigung einer Altenpflegerin wegen sechs gestohlener Maultaschen, die übrig geblieben waren, erklärte ein Gericht für rechtens. afp/jöw

Meinung

Ohne jede

Sensibilität

Von SZ-Redakteur

Bernard Bernarding

Erstaunlich, was die höchste Arbeitsrichterin da von sich gibt. Die Dame präsentiert sich voreingenommen und lässt die notwendige Sensibilität vermissen. Selbstverständlich muss Fehlverhalten bestraft werden; doch steht der Verlust einer Existenz wirklich in einem angemessenen Verhältnis zu einer Bagatell-Tat? Rabiate Urteile sind Merkmale totalitärer Staaten, nicht aber eines sozialen Gemeinwesens.

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