Hinterbänkler auf Versöhnungstour

Wären die Zeiten normal, würde sich für diese Art von Besuch in Berlin kaum jemand interessieren. Nicht einmal zu Hause ist der amerikanische Senator Chris Murphy besonders prominent: ein Hinterbänkler von der Demokratischen Partei, 40 Jahre nur, der Jüngste von allen im Senat, erst seit 2012 dabei.

Immerhin Vorsitzender des Unterausschusses Europa - aber das wird in Washington heutzutage eher zu den weniger wichtigen Posten gezählt.

Nur, dass zwischen Deutschland und den USA die Zeiten eben nicht normal sind. Die Abhöraffäre um den amerikanischen Geheimdienst NSA bedeutet für die Beziehungen schon seit Monaten eine arge Belastung. Kanzlerin Angela Merkel ist immer noch verärgert darüber, dass die National Security Agency (NSA) wohl auch ihr Handy angezapft hatte - und das offenbar sogar über zehn Jahre hinweg. Auf eine Entschuldigung aus Washington wartet Berlin bislang vergeblich.

Auch Murphy ließ sich am Montag darauf nicht ein. Sein Kommentar dazu: "Taten sind wichtiger als Worte." Der "Junior Senator" mit dem strengen Seitenscheitel gab sich bei seinen verschiedenen Terminen bei Bundesregierung und im Bundestag aber einigermaßen zerknirscht.

"Unsere europäischen Verbündeten haben in den vergangenen Monaten legitime Sorgen über Charakter und Ausmaß von US-Geheimdienstprojekten geäußert", ließ der Senator nach seinem Treffen mit Innenminister Hans-Peter Friedrich verlauten. Die Geheimdienste seines Landes hätten "nicht immer die notwendige Zurückhaltung walten lassen". Mit der Bespitzelung Merkels sei außerdem "eine Linie überschritten worden". "Dafür kann es keine Ausrede geben." Der Senator aus Connecticut versicherte, der von Barack Obama in Auftrag gegebene Bericht über die NSA-Aktivitäten werde "nicht nur für die Galerie" sein. "Dem Präsidenten ist es ernst damit."

Die große Versöhnungstour wurde es trotzdem nicht - zumal Murphy bei seinen ersten Terminen auch noch solo war. Der demokratische Kongressabgeordnete Gregory Meeks, der ebenfalls von Anfang an dabei sein sollte, fehlte zunächst. Angeblich hatte sein Flugzeug Verspätung. Erst mit einigen Stunden Verzug stieß Meeks dann noch dazu.

Ohnehin ist man in der Bundesregierung aber der Meinung, dass Obama zur Schadensbegrenzung wichtigere Leute nach Berlin schicken muss. Spekuliert wird über einen Besuch von US-Außenminister John Kerry - aber erst, wenn eine neue Bundesregierung im Amt ist, frühestens in der Woche vor Weihnachten also. Noch-Kollege Guido Westerwelle, der dann nicht mehr dabei wäre, fasste die deutschen Forderungen so zusammen: "Transpa renz für das, was war, und klare Regeln für die Zukunft." Nächsten Monat dürfte sich entscheiden, ob daraus etwas wird. Der vom Weißen Haus bestellte Bericht soll in Washington noch in der ersten Dezemberhälfte vorliegen. Das wäre dann auch Gelegenheit für Obama, klare Worte zu sprechen. Parallel dazu verhandeln Berlin und Washington gerade über eine neue Vereinbarung, mit der geregelt wird, was die Geheimdienste unter Freunden eigentlich dürfen. Die Vereinbarung soll gleichfalls bis Mitte Dezember fertig sein. Von einem "No-Spy-Abkommen", das jegliche Bespitzelung verbietet, ist inzwischen aber keine Rede mehr.

In Washington gibt es auch erhebliche Zweifel, ob die Berliner Hoffnungen auf eine Entschuldigung erfüllt werden. Bislang haben Obama und sein Team die Spähaffäre eher lässig behandelt. Immer wieder heißt es, die US-Geheimdiensten täten nur das, was andere auch täten. Die Überwachung von Merkels Handy hatte zwischenzeitlich auch in Washington Schlagzeilen gemacht. Einige amerikanische Politiker waren davon peinlich berührt. Inzwischen ist das auf der anderen Seite des Atlantiks aber kein großes Thema mehr.

Die Kanzlerin selbst hatte für ein Treffen mit Murphy gestern übrigens keine Zeit. Der Senator bekam nur einen Termin bei ihrem außenpolitischen Berater Christoph Heusgen. Offizielle Begründung: Merkel sei wegen des IG-Metall-Gewerkschaftstags in Frankfurt am Main und der Koalitionsverhandlungen verplant. Ein Treffen mit dem Gast aus Washington sei "schon deswegen gar nicht möglich".

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