Heute erstes Urteil gegen den Todespfleger von Delmenhorst

Oldenburg · Er wollte den Helden spielen, die Routine durchbrechen. Im Prozess gegen einen Pfleger, der Patienten zu Tode gespritzt haben soll, könnte heute das Urteil fallen. Doch damit ist der Fall noch lange nicht abgeschlossen.

Im Krankenhaus gehört der Tod zum Alltag. Viele Patienten mit schweren Krankheiten und Verletzungen haben Angst zu sterben. Doch sie vertrauen darauf, dass die Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger alles tun, damit sie gesund werden. Undenkbar, dass einer von ihnen sie umbringen könnte. Am Klinikum Delmenhorst in Niedersachsen ist jedoch genau das geschehen. Ein Pfleger soll Patienten dort über Jahre zu Tode gespritzt haben. Heute könnten die Richter ein Urteil in dem Mordprozess verkünden.

Dass dem 38-Jährigen lebenslange Haft droht, gilt als sicher. Einen Schlussstrich bedeutet das jedoch noch lange nicht. Angeklagt ist der frühere Krankenpfleger wegen dreifachen Mordes und zweifachen Mordversuchs. Doch das könnte nur die Spitze des Eisbergs sein: 90 Taten hat der Angeklagte im Prozess gestanden, bis zu 30 Patienten sollen gestorben sein. Die Polizei überprüft sogar mehr als 200 Verdachtsfälle.

Damit könnte es sich nach Angaben eines Experten für Patiententötungen um die größte Mordserie an einem Krankenhaus in Deutschland handeln. Doch erst jetzt, fast zehn Jahre nach der Festnahme des Verdächtigen, werden die verstörenden Einzelheiten bekannt: Der Pfleger soll den Patienten auf der Intensivstation eine Überdosis eines Herzmedikaments gespritzt haben, um diese anschließend wiederbeleben zu können. "Es war der klinische Alltag, der mich unterfordert hatte", begründet er vor Gericht seine Taten. Wenn es ihm gelungen sei, die Opfer zurück ins Leben zu holen - er also als heldenhafter Retter dastand -, habe er sich tagelang gut gefühlt.

Mit der Zeit wird der Pfleger immer unvorsichtiger. Er zieht Spritzen vor den Augen von Kollegen auf, setzt Injektionen, während im Nebenzimmer Visite ist. Im Sommer 2005 ertappt ihn schließlich eine Krankenschwester auf frischer Tat. Die Staatsanwaltschaft klagt den Mann wegen Mordversuchs an - in einem Fall. Obwohl es während des Prozesses konkrete Hinweise gibt, dass der Angeklagte deutlich mehr Patienten getötet haben könnte, lässt die Staatsanwaltschaft nicht weiterermitteln. 2008 verurteilt ihn das Landgericht zu siebeneinhalb Jahren Haft. Bis dahin kann er weiterarbeiten - und möglicherweise weitertöten.

Zum zweiten Prozess kommt es später nur, weil Kathrin Lohmann, deren Mutter 2003 am Klinikum Delmenhorst starb, nicht locker ließ. Die Staatsanwaltschaft lässt schließlich mehrere Leichen exhumieren. In fünf Fällen bestätigt sich der Verdacht. Im September 2014 beginnt der nächste Prozess. Die Oldenburger Staatsanwaltschaft spricht heute von Ermittlungspannen. Gegen die damals zuständigen Staatsanwälte wird wegen Verdachts der Strafvereitlung im Amt ermittelt.

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