Hessens Hoffnungsträger

Hessen kennt seit langem knappe Wahlausgänge und unklare Mehrheiten. Am Sonntag könnte es wieder „hessische Verhältnisse“ geben.

Die schwarz-gelbe Landesregierung von CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier und die rot-grüne Opposition liegen Kopf an Kopf. Der erbitterte Lagerwahlkampf hat in den vergangenen Tagen an Schärfe zugenommen. Mitentscheidend wird sein, ob die Linke wieder in den Landtag kommt.

Schwarz-Gelb beschwört im Endspurt die Vergangenheit. 2008 wollte sich die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti entgegen ihrer früheren Versicherung mit Hilfe der Linken zur Regierungschefin wählen lassen. Nach dem Desaster Ypsilantis, die an vier Abtrünnigen in den eigenen Reihen scheiterte, kassierte die SPD eine verheerende Niederlage. 2009 stürzte sie in ihrem einstigen Stammland auf 23,7 Prozent ab. Seither will sich die SPD nicht mehr festlegen lassen. Zuletzt geriet Ypsilanti-Nachfolger Thorsten Schäfer-Gümbel jedoch erneut in die Defensive. Politisch hat er zwar jede Zusammenarbeit mit der Linken ausgeschlossen, die zum Beispiel die neue Landebahn des Frankfurter Flughafens schließen will. "Formal" will er aber - als Lehre aus 2008 - alles offen lassen.

Die CDU, die in den Umfragen knapp unter 40 Prozent liegt, bohrt dankbar in der alten SPD-Wunde. Bouffier forderte von Schäfer-Gümbel vergangene Woche im TV-Duell sogar ein "Ehrenwort", nicht mit der Linken zu kooperieren. Diese liegt nach den Umfragen derzeit aber ohnehin unter der Fünf-Prozent-Hürde.

Auch die FDP muss um den Einzug ins Wiesbadener Parlament fürchten. Sie wird bei nur knapp über fünf Prozent gesehen. Die in Hessen traditionell konservativen Liberalen unter ihrem streitbaren Chef Jörg-Uwe Hahn haben sich am Wochenende per Koalitionsaussage fest an die CDU gekettet. Die konservative Hessen-Union wiederum, die im Wahlkampf einen zaghaften Flirtversuch mit den Grünen startete, hat sich ebenfalls auf die FDP festgelegt. Schwarz-Gelb hat den Vorsprung von Rot-Grün in den Umfragen wettgemacht - offenbar auch wegen des "Ypsilanti-Faktors" und dank des Rückenwindes aus Berlin. Obwohl der Landtag noch bis Anfang 2014 im Amt ist, lässt Bouffier die Hessen am Sonntag wählen. Ein geschickter Schachzug: Angela Merkel ist in Hessen deutlich populärer als der 61-Jährige.

Die Grünen schwächeln Der frühere Innenminister hat das Amt von Roland Koch geerbt, als dieser 2010 nach elf Jahren als Ministerpräsident in die Wirtschaft wechselte. Seither pflegt Bouffier den Stil des bedächtig-jovial regierenden Landesvaters. Einen Amtsbonus hat er sich aber nicht verschafft. Im direkten Vergleich liegt Schäfer-Gümbel in Umfragen fast gleichauf.

Dem 43-jährigen Herausforderer ist es gelungen, die zutiefst zerstrittene Hessen-SPD wieder zu einen. Das hatten dem einstigen Hinterbänkler aus Gießen, der 2009 an die Parteispitze katapultiert wurde, nur wenige zugetraut. Schäfer-Gümbel hat die Flügel der Partei programmatisch eingebunden und die SPD wieder auf Erfolgskurs gebracht. Die wichtigen OB-Posten in Frankfurt und Wiesbaden wurden überraschend von Sozialdemokraten zurückerobert. Derzeit wird die SPD bei etwa 30 Prozent taxiert. Schäfer-Gümbels Traum vom Regieren könnte möglicherweise an den schwächelnden Grünen scheitern.

Unter der Führung des selbstbewussten Fraktionschefs Tarek Al-Wazir waren sie vor nicht allzu langer Zeit bei fast 20 Prozent gesehen worden. Im Sog des schwachen Bundestrends sind sie zuletzt unter ihr Ergebnis von 2009 (13,7 Prozent) gefallen. Dabei ist Hessen grünes Kernland: 1985 waren sie unter Joschka Fischer an der ersten rot-grünen Landesregierung beteiligt.

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