Heiligt Originalität das Votum?

Meinung:

Heiligt Originalität das Votum?

Von SZ-Redakteur Christoph Schreiner

Man kommt schwerlich umhin, hinter der gestrigen Entscheidung des Nobelpreiskomitees ein Zugeständnis an den heutigen Zeitgeist zu sehen. Der führt uns tagtäglich vor, wie sehr das Prinzip "Hauptsache orginell" regiert und in Zeiten heutiger Mediokratien Selbstzweck geworden ist. Bereits im Vorjahr konnte man sich fragen, ob das Votum für die russische Journalistin Swetlana Alexijewitsch ungeachtet der Bedeutung ihres Werks nicht eine Entscheidung gegen die Literatur war. Bei Bob Dylan liegen die Dinge ähnlich. Auch diesmal fragt man sich: Wieso hat man sich in Stockholm abermals gegen klassische Literatur entschieden? An Autoren von Weltrang fehlt es nicht. Das heißt nicht, dass Dylan nicht als Dichter gelten kann. Auch wenn Musik heute meist alles und der Text nur Nebensache zu sein scheint: Gerade Dylan ist nicht in erster Linie ein Musiker, der auch Texte schreibt. Er ist eher ein Sprachkünstler, der auch Musik macht. Wenn der Nobelpreis also dazu führt, seine Texte zu studieren, dann lässt er sich rechtfertigen.

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