Heikle Planspiele mit der Bahncard

Berlin · Wird die Bahncard abgeschafft oder ist das alles nur Quatsch? Eine Vorlage für den Bahn-Aufsichtsrat beunruhigt die Kunden. Tatsache ist: Der Konzern will einiges ändern, um im Fernverkehr wieder profitabler zu werden.

Die Deutsche Bahn reagierte ungewöhnlich schroff: Eine "dreiste Falschmeldung" sei ein Bericht über die angeblich geplante Abschaffung der Bahncard. Nach viel Hin und Her wurde gestern klar: Die Bahn denkt über ihre Preisstruktur für Fernreisen nach, weil sie genau dort zuletzt Kunden verloren hat. Die wandern an die seit zwei Jahren aufkommende Fernbus-Konkurrenz und ins eigene Auto ab, das wegen gesunkener Benzinpreise wieder relativ günstig zu bewegen ist. Aber die Bahncard ist inzwischen eine heilige Kuh.

Der Manager, der bei der Bahn für den Personenverkehr zuständig ist, reagierte mit Kopfschütteln: Man werde doch die fünf Millionen Bahncard-Kunden nicht verprellen, indem man ihnen die Rabattkarte wegnehme, sagte Vorstandsmitglied Ulrich Homburg. Es gehe vielmehr darum, Kundengruppen anzusprechen, die sich bisher nicht durch die Bahncard anlocken ließen. Es gehe um Ergänzungen.

In diesen Zusammenhang ordnete Homburg auch das ein, was in dem 33-seitigen Strategiepapier nach Recherchen des Hessischen Rundfunks steht: "Die Bahncard wird zum Kundenkonto." Dieses Kundenkonto solle "Rabatte gemäß Auslastung eines Zuges und individuelle Rabatte nach Kundenumsatz" garantieren. Wenn dieser Vorschlag verwirklicht werde, dann werde das zusätzlich zu den bisherigen Bahncards gemacht, nicht stattdessen. Und ein Aufsichtsratsbeschluss sei dafür auch nicht nötig, das könne der Vorstand allein tun.

Das gesamte Konzept für einen erfolgreicheren Fernverkehr soll im ersten Halbjahr 2015 abgeschlossen werden, sagte Homburg. Der Aufsichtsrat soll im März einen Abschlussbericht erhalten, dann mit konkreten Vorschlägen. Darin könnte auch etwas über die Einstellung unwirtschaftlicher Linien und weiterer Nachtzüge stehen. Dass dies so kommen wird, hat die Bahn schon früher angekündigt.

"Bei der Bahn kennt jeder die Brisanz des Themas", heißt es bei der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) mit Blick auf die Bahncard. Denn die Bahn wollte 2002/2003 die Bahncard mit dem beliebten 50-Prozent-Rabatt abschaffen - zugunsten eines Preissystems, das die Zugauslastung ähnlich wie bei Fluggesellschaften berücksichtigte.

Nach einem halben Jahr musste der damalige Bahnchef Hartmut Mehdorn kleinlaut zugeben: "Wir haben verstanden." Die Bahncard mit 50 Prozent Rabatt wurde wieder eingeführt. Auf einen solchen Rückzieher möchte sein Nachfolger Rüdiger Grube verzichten. Er meinte zur Bahncard-Abschaffung klar: "Völliger Quatsch."

Meinung:

Die Bahn muss vorsichtig sein

Von SZ-KorrespondentHagen Strauß

Mit kostenlosem WLAN in Fernzügen der Bahn ist es nicht getan, um neue Kunden anzulocken. Die allermeisten erwarten in erster Linie Pünktlichkeit und zivile Preise. Einigermaßen bezahlbar sind längere Bahnfahrten für Normal-Reisende jedoch nur dann, wenn sie entweder einen Sparpreis ergattern konnten oder über eine Bahncard verfügen. Das Unternehmen muss sich deshalb ganz genau überlegen, wie es seine Angebote "weiterentwickelt". Sollte der Eindruck entstehen, durch die Veränderungen im Tarifsystem wird doch alles teurer, dürften die angekündigten Ergänzungen schnell floppen.

Schlecht für das Unternehmen, gut für die Reisenden, dass der Konkurrenzdruck groß geworden ist. Dafür - man glaubt es kaum - muss man der früheren Regierungskoalition aus Union und FDP noch nachträglich Danke sagen. Sie hat den Fernbusmarkt liberalisiert und geöffnet.

Zum Thema:

HintergrundDie Lokführergewerkschaft GDL setzt ihre Streiks bei der Deutschen Bahn bis 11. Januar aus. Gleichzeitig setzte GDL-Chef Claus Weselsky dem Konzern gestern eine Frist bis 17. Dezember, um ein neues, "erheblich verbessertes" Angebot vorzulegen. Es müsse auf die Forderungen der GDL zur Arbeitszeit und zur Arbeitsbelastung der 37 000 Beschäftigten des Zugpersonals eingehen. Falls nicht, werde die GDL "massive Arbeitskämpfe" führen. dpa

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