Äußerungen zu Tafeln Hat Spahn arme Leute verhöhnt?

Berlin · Die Äußerungen des CDU-Politikers über die Notwendigkeit von Tafeln hat eine hitzige Debatte ausgelöst. Linken-Politiker sind empört. Auch aus der eigenen Partei gibt es Kritik.

 Jens Spahn (CDU)

Jens Spahn (CDU)

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Was ist Armut? Die Frage ist deutlich schwieriger zu beantworten, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Offiziell gilt hierzulande derjenige als arm, der weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens der Bevölkerung in Privathaushalten zum Leben hat. Müssen Arme in Deutschland also hungern? Sind sie auf wohltätige Einrichtung wie die Tafel angewiesen, die Lebensmittel quasi zum Nulltarif verteilt? Der konservative CDU-Politiker Jens Spahn bezweifelt das – und hat mit seinen Äußerungen eine heftige Debatte ausgelöst.

Die Linke sprach ihm gar die Eignung als Bundesminister ab: „Wer in diesen Zeiten derart kaltherzig und abgehoben über die Armen und Schwachen in dieser Gesellschaft redet, sollte von sich aus auf das Ministeramt verzichten“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Jan Korte. Selbstkritik und Einsicht seien bei Spahn aber nicht zu erwarten. Deshalb solle die Kanzlerin darauf verzichten, ihn wie geplant zum Gesundheitsminister zu machen. Die Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht warf Spahn in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vor, die Bezieher von Hartz IV „mit arroganten Belehrungen zu verhöhnen“.

Was genau hatte Spahn gesagt? Der CDU-Mann hatte sich in die Debatte um den Aufnahme-Stopp für Ausländer bei der Essener Tafel eingeschaltet, der noch bis Ende März andauern soll. Mit Hartz IV habe „jeder das, was er zum Leben braucht“, sagte Spahn den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Niemand müsste in Deutschland hungern, wenn es die Tafeln nicht gäbe.“ Und: „Hartz IV bedeutet nicht Armut, sondern ist die Antwort unserer Solidargemeinschaft auf Armut.“

Der designierte Gesundheitsminister erntete dafür nicht nur Kritik, sondern auch Zustimmung – etwa von der FDP: Natürlich könne man von Hartz IV leben, sagte Parteichef Christian Lindner gestern. Das errechnete Existenzminimum in Deutschland sei schließlich keine Frage von „Gutdünken“. Wenn mehr Lebensmittel über die Tafel bezogen würden, sei das kein Indikator, dass Armut in Deutschland steige, sagte Lindner außerdem. Tafeln seien schließlich zunächst eine Entscheidung, dass man günstige Lebensmittel nicht wegwerfen will und nicht ein „Ausdruck von Armut“.

Auch AfD-Chef Jörg Meuthen gab Spahn Recht – zumindest indirekt. Nur wenn es zur Existenzsicherung erforderlich sei, müsse der Staat handeln. Die AfD wolle den Staat in einer „subsidiären, aber nicht so dominanten Rolle“ sehen.

Insgesamt überwog aber die Kritik: Grünen-Chef Robert Habeck warf Spahn vor, „überheblich“ zu sein. „Kinder- und Altersarmut, Demütigungen und Existenzängste sind real – oft nicht trotz, sondern wegen Hartz IV“, sagte Habeck der „Bild“-Zeitung. Und auch aus den eigenen Reihen gab es Widerspruch – wenn auch eher von der sanften Sorte. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte: „Ich warne immer etwas davor, wenn Menschen, die, so wie er oder wie ich, gut verdienen, versuchen zu erklären, wie man sich mit Hartz IV fühlen sollte“, so die Saarländerin im ZDF-„Morgenmagazin“. „Die Menschen, die ich kenne, die im Hartz-IV-Bezug sind, sind da nicht freiwillig, die wollen auch wieder raus.“

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