Harte Verteilungskämpfe um die SPD-Konkursmasse

Die ersten Sozialdemokraten haben ihre Berliner Schreibtische schon fluchtartig verlassen. Andere sind noch beim Einpacken. Die meisten sind froh, dass sie mit den vor und hinter den Kulissen geführten erbitterten Verteilungskämpfen um die SPD-Konkursmasse nichts mehr zu tun haben

Die ersten Sozialdemokraten haben ihre Berliner Schreibtische schon fluchtartig verlassen. Andere sind noch beim Einpacken. Die meisten sind froh, dass sie mit den vor und hinter den Kulissen geführten erbitterten Verteilungskämpfen um die SPD-Konkursmasse nichts mehr zu tun haben.

Denn selbst an einiges gewohnte Genossen glauben nicht mehr daran, dass die lange Leidenszeit der Traditionspartei bald vorbei sein wird. Schon der ziemlich verkorkste personelle Neuanfang nach dem Wahldesaster spreche dagegen. Alles läuft wohl darauf hinaus, dass die Rest-SPD zumindest vorübergehend von einer ziemlich ungleichen Troika über die Runden gebracht werden soll. Bis Anfang kommender Woche sollen in der Partei die Übergabeverhandlungen von der bisherigen an die künftige Führung abgeschlossen sein.

Bis dahin will insbesondere die auftrumpfende Parteilinke, die sich in rasantem Tempo von der SPD-Regierungszeit verabschiedet, noch einige Gewinne verbuchen. Dem neuen Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier wird bereits signalisiert, dass er auf diesem Posten mehr oder weniger nur geduldet ist. Klar sei doch, dass einer "Person" die mit der Agenda 2010 so stark verbunden sei, "seriöse Skepsis" entgegenschlage, grenzt die Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel wie selbstverständlich Steinmeiers künftigen Einfluss ein. Und auch bei anderen finden dessen noch am Dienstag formulierte Warnungen wenig Gehör, die SPD dürfe jetzt nicht den "Wettbewerb mit den populistischen Parolen anderer" aufnehmen. So sehen der Parteilinke Björn Böhning und andere kein Problem mehr in einer Zusammenarbeit mit der Linken im Bund, sofern die nur einige "außenpolitische Illusionen" über Bord wirft.

Ob die dem Kanzlerkandidaten aufgezwungene Doppelspitze lange halten wird, scheint deshalb zumindest zweifelhaft. Die Hinweise mehren sich, dass der organisierte Widerstand gegen einen Zugriff Steinmeiers auf Partei- und Fraktionsvorsitz bereits von langer Hand vorbereitet wurde. Kräftig mitgemischt dabei haben dem Vernehmen nach vor allem Größen aus SPD-Landesverbänden, die sich nicht erst seit Sonntag vor allem durch notorisch besonders schlechte Wahlergebnisse auszeichnen.

So setzte sich mit Billigung des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit die Berliner SPD-Führung an die Spitze der Bewegung "Müntefering-und-Steinmeier-müssen-weg" - ausgerechnet der Verband, der am Sonntag bundesweit die höchsten SPD-Verluste eingefahren hat.

Wowereit und andere an der Operation aktiv Beteiligte wie der bisherige Arbeitsminister Olaf Scholz setzen bei der anstehenden Postenvergabe auf Belohnung.

Das von einem engen Kreis in Hinterzimmern aus der Taufe gehobene Gespann für die neue Parteispitze, Sigmar Gabriel und Andrea Nahles, kam für viele überraschend. Beide fühlten sich schließlich bis vor kurzem noch so stark in inniger Feindschaft verbunden, dass sie nicht einmal miteinander redeten.

Für viele Sozialdemokraten hat das vereinbarte Arbeitsteilungs-Modell einen schweren Geburtsfehler. Der begnadete Rhetoriker Gabriel hätte Fraktionschef werden müssen, um zum einen die Regierung in Bedrängnis zu bringen und sich zum anderen gegen starke Konkurrenz von Linken und Grünen durchzusetzen, ist vielfach zu hören. Der Bundestags-Neuling Steinmeier, der im Wahlkampf zur anerkannten Führungsfigur gewachsen ist, hätte dagegen an der Parteispitze für Beständigkeit und Festigkeit gestanden - Eigenschaften, die die taumelnde Partei in den nächsten Jahren besonders nötig hat und für die der sprunghafte Gabriel kaum steht.

Für eventuelle Korrekturen an dem Arrangement bleiben den Sozialdemokraten bis zum Dresdner Parteitag noch sechs Wochen Zeit - eine kleine Ewigkeit angesichts der labilen Stimmung in der Partei.

Nicht ganz auszuschließen ist jedoch, dass Steinmeier von sich aus noch neue Fakten schafft - sofern er das Gefühl bekommt, tatsächlich nur noch als Randfigur von der neuen Spitze akzeptiert zu werden. Die Nagelprobe für Steinmeier dürfte sein, ob er sein Konzept für die neue Fraktionsspitze ohne große Abstriche durchsetzen kann. Scheitert er damit, müsste sich die SPD wohl noch vor dem Parteitag schon wieder einen neuen Fraktionschef suchen.

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