Harte oder weiche Linie gegen den Kreml?

Seit 2014 hat die EU Sanktionen gegen Russland verhängt, um Präsident Putin zu zwingen, das Minsker Friedensabkommen für die Ukraine durchzusetzen. SZ-Korrespondent Detlef Drewes beantwortet zentrale Fragen zu den Restriktionen, über deren Verlängerung die EU-Staaten heute abstimmen.

 Zahlreiche Berater und Politiker aus dem Umkreis von Präsident Putin sind von den Sanktionen betroffen. Foto: dpa

Zahlreiche Berater und Politiker aus dem Umkreis von Präsident Putin sind von den Sanktionen betroffen. Foto: dpa

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Welche Sanktionen sind denn inzwischen eigentlich in Kraft?

Die EU-Staaten haben gegen 149 Personen Einreiseverbote für die 28 Mitgliedstaaten erlassen sowie deren Vermögen auf westlichen Banken eingefroren. Es handelt sich dabei um führende Politiker der Krim, aber auch Russlands, darunter sind auch persönliche Berater von Präsident Wladimir Putin. Zusätzlich wurde das Guthaben von 37 Unternehmen geblockt. Außerdem verhängten die Mitgliedstaaten Importverbote für Produkte aus der Krim sowie aus Sewastopol und untersagten Investitionen in diesen Regionen. EU-Touristikunternehmen dürfen keine Angebote für Reisen auf die Krim machen. Außerdem wurde der Export von Gütern in den Bereichen Verkehr, Telekommunikation und Energie sowie Öl- und Gasförderung gestoppt.

Wie hat sich Moskau dafür revanchiert?

Die russische Regierung hat ebenfalls Reiseverbote unter anderem gegen deutsche und europäische Politiker ausgesprochen. So durften der CDU-Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann und die Grünen-Europa-Politikerin Rebecca Harms nicht nach Russland einreisen. Außerdem stoppte Moskau Lebensmittelimporte aus den Mitgliedstaaten der Union.

Was haben die Sanktionen bewirkt?

Es gibt massive wirtschaftliche Konsequenzen. Nach Angaben des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft schrumpfte der Handel zwischen Russland und der EU im Vorjahr um 25 Prozent und betrug nur noch 210 Milliarden Euro. Betroffen sind nicht nur große Hersteller von Maschinen, Autos und anderen Technologie-Güter, sondern auch Landwirte, die ihre Produktion nicht mehr nach Russland verkaufen können.

Wer will in der EU die Sanktionen lockern und warum?

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD ) steht ebenso wie sein österreichischer Kollege Sebastian Kurz für die Linie derer, die weg von der "Alles oder Nichts"-Strategie wollen. Sie versprechen sich von einer Lockerung der Sanktionen mehr Gesprächsmöglichkeiten mit Moskau, um in der Ukraine-Krise weiterzukommen. Scharfe Gegner einer Aufweichung sind die blatischen Staaten und Polen.

Hat Russland sich denn in der Ukraine-Krise bewegt?

Dafür gibt es nur wenige Indizien. Einige Beobachter werten die Freilassung der ukrainischen Kampfpilotin Nadeschda Sawtschenko als ein Signal für mehr Kompromissbereitschaft. Sie erhoffen sich aber, dass Putin durch ein mögliches Ende der Sanktionen gelockt werden könnte, an einer Lösung für die Ukraine mitzuwirken. Dagegen verweisen diejenigen, die an den Strafmaßnahmen festhalten wollen, darauf, dass Russland weder den Status der besetzten Krim ändern will noch seine mutmaßliche Unterstützung der Kämpfer in der Ostukraine eingestellt habe. Steht die EU nach wie vor unbeirrt zur Ukraine?

Offiziell lässt die EU an dem Schulterschluss mit Kiew keine Zweifel. Hinter den Kulissen aber ist man unzufrieden, weil es aus Sicht Brüssels viele Indizien dafür gibt, dass die ukrainische Führung eine Lösung des Konfliktes aktiv zu verhindern versucht. Beispielsweise um Russland weiteren internationalen Schaden zuzufügen.

Meinung:

Sinnlose Sanktionen

Von SZ-Korrespondent Detlef Drewes

Noch sind die Stimmen nicht sehr zahlreich. Aber die Rufe nach einem Umdenken bei den Sanktionen gegen Russland werden lauter. Mit Recht. Denn das Instrument, mit dem Europa Moskau eigentlich zwingen wollte, sich stärker in den Minsker Friedensprozess mit der Ukraine einzubringen, hat versagt. Es gibt kaum einen führenden Außenpolitiker, der noch ernsthaft behauptet, dass die mangelnden Fortschritte allein die Schuld Russlands sind. Auch Kiew spielt in der Sache eine wenig konstruktive Rolle. Und so ist eine gefährliche politische Schieflage entstanden, bei der die EU zwar Moskau bestraft, aber mit der Ukraine paktiert, obwohl man eigentlich auch sie zur Räson rufen müsste. Sanktionen, die aber nur beschädigen, ohne etwas zu bewirken, gehören zumindest auf den Prüfstand.

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